
1. Geschichtliche Entwicklung
Der Beitrag beschreibt das einreihige Stellwerk von O&K. Das zweireihige Kurzstellwerk von 1937 wird extra beschrieben.
Orenstein & Koppel - bekannt für Lokomotiv- und Triebwagenbau - stieg 1924 in den Stellwerksbau ein. Die Gründe sind nicht bekannt. Anscheinend wollte O&K auf dem damals prosperierenden Markt für Kraftstellwerke mithalten. Die allgemeine Zulassung zum Bau von Stellwerken erhielt O&K aber erst 1930:
Nach Verfügung der Deutschen Reichbahn-Gesellschaft, Hauptverwaltung, vom 28. April 1930 80 Ssbk 60 wird die Firma Orenstein & Koppel, Akt.-Ges., Berlin, zur Herstellung von Kraftstellwerksanlagen allgemein zugelassen.[1]
Der Reichsbahndirektor Stäckel beschrieb das Stellwerk in den Glasers Annalen 1927 wie folgt:
Erst vor wenigen Jahren hat die Firma Orenstein & Koppel eine neue Bauart für das elektrische Stellwerk herausgebracht. Der Hauptunterschied dieses Stellwerksgegenüber früheren Bauarten liegt in der Schaltung der Antriebe. Es ist bei der Bauart O & K möglich, für alle Einrichtungen des Stellwerks mit Strom von einheitlicher Spannung auszukommen. Da für die Ueberwachung nicht mehr Strom einer besonderen Spannung nötig ist, kann die Batterie dafür entfallen, und man kommt mit zwei gegenüber sonst drei bis vier Sammlerbatterien aus. Aus der Einheitlichkeit der Spannung ergab sich ferner, daß für die Antriebe weniger Kabeladern notwendig sind, z. B. beim Weichenantrieb drei statt vier, sofern es sich um Einzelweichen handelt, und drei statt sechs bei gekuppelten Weichen, ferner bei Signalantrieben drei statt sonst vier bis fünf. Der Leitungsquerschnitt kann dabei gering sein, da die Antriebe wenig Strom erfordern und gegen Spannungsverluste ziemlich unempfänglich sind. Diese Eigenschaften beruhen auf dem Betrieb ihrer Motoren mit einer hohen Umdrehıungszahl (etwa 3000 Umdrehungen pro Minute). In Verbindung mit einem großen Uebersetzungsverhältnis bei der Uebertragung der Kraft auf die Weichenstellstange hat die 'hohe Umdrehungszahl des Motors den Vorteil, daß zusätzliche Widerstände in der Weiche und auch Spannungsschwankungen verhältnismäßig leicht überwunden werden. Die Sicherheit der Schaltung gegen Fremdstrom, falsche Erdschlüsse, Aderberührung und sonstige Fehler ist unabhängig vom Widerstand der Leitungen durch eine Ueberwachungsvorrichtung ohne Erd- oder Kurzschlußkontakte beim Antrieb gewährleistet. Diese Kontakte sind dadurch entbehrlich, daß 2 Ueberwachıungsmagnete angeordnet sind, und nur bei ordnungsmäßigem Zusammenarbeiten beider die Anlage in dem gewünschten Sinne gebrauchsfähig ist. Die Anwendung besonderer Erdungsprüfer zur regelmäßigen Ueberprüfuııg der Sicherheitskontakte kann infolgedessen auf die Sicherheitserdung im Stellwerk beschränkt werden, was eine Erleichterung für die Unterhaltung bedeutet.Um den Eigenarten der Schaltung gerecht zu werden, hat das Hebelwerk eine besondere Bauart erhalten und entspricht nur äußerlich schon bekannten Ausführungsformen.[2]
Verbreitung der Bauform: 1942 existierten von dieser Bauform 52 Stellwerke.[3] In Berlin waren die Stellwerke Sgr des Betriebsbahnhofs Schöneberg und Gda des Abstellbahnhofs Grunewald (Hundekehle) mit dieser Bauform ausgerüstet. Neben Berlin sind noch das Stellwerk W4 des Bahnhofs Untertürkheim und Tl des Bahnhofs Leipzig-Thekla mit dieser Bauform ausgerüstet gewesen. Weitere Bahnhöfe waren zum Recherchezeitpunkt nicht bekannt. Hinweise nehme ich jederzeit gern entgegen.
2. Merkmale der Bauform Orenstein & Koppel
Alle nachfolgenden Fotos sind im Stellwerk B5 des Bahnhofs Altenburg/Thür. aufgenommen. Mein Dank geht an die Verantwortlichen der DBNetz AG, Regionalbereich Südost für die freundliche Unterstützung und Genehmigung. |
Die Deutsche Reichsbahn-Gesellschaft gab für die Bauform Orenstein & Koppel eine eigene Bedienvorschrift heraus, die Sondervorschrift für den Kraftstellwerksdienst (Kraftstellwerk der Baufart Orenstein & Koppel) (KrVo) von 1932. Die Vorschrift war explizit nur auf Abweichungen von der als Norm geltenden Bauform Siemens & Halske 1912 ausgelegt, wie es auf Seite 5 der Vorschrift heißt:
Diese Sondervorschrift enthält Abweichungen von der als Mustervorschrift geltenden DV 451 (Sondervorschrift für den Kraftstellwerksdienst, Kraftstellwerk der Bauart Siemens & Halske 1912) nur insoweit, als sie durch die Bauart notwendig geworden sind. Alle von vorgenannter Mustervorschrift abweichenden Bestimmungen sind durch eine seitlich angeordnete senkrechte Linie gekennzeichnet.
Nachfolgend ein Beispiel für die Abweichungen zur Bauform Siemens & Halske 1912:
...(5) Die Weichenhebel sind blau. Sie zeigen in der Grund - Weichenstellung nach hinten, in umgelegter Stellung nach vorn - vom Wärterstand aus gesehen (Bild 1). Wird der Hebel um- oder zurückgelegt, so folgt der Antrieb und mit ihm die Weiche diesen Bewegungen.
(6) Die Riegel-, Gleissperren-, Gleissperrsignal- und Haltetafelhebel haben die Form und Farbe der Weichenhebel. Die beiden letztgenannten Hebel haben einen roten Ring.
(7) Die Befehle- Zustimmungss und Fahrstraßenhebel sind grün und stehen in der Grundstellung senkrecht. Sie sind nach vorn und hinten oder nur nach einer Richtung umlegbar. Dabei legen sie die Fahrstraße im eigenen Stellwerksbezirk fest und erteilen die Zustimmung oder den Befehl nach dem abhängigen Stellwerk, bezw geben den Signalhebel mechanisch frei. Die Zustimmungs-bezw Befehlsabgabe ersolgt jedoch erst, wenn der Prüfmagnet wie unter (9) angegeben, gearbeitet hat, ebenso die elektrische Freigabe des Signalhebels.
3. Quellen und weitere Links |
[1] Zeitschrift für das gesamte Eisenbahn-Sicherungswesen (Das Stellwerk), Nr. 7 vom 20. Mai 1930, Seite 68 |
[2] Stäckel: Neuerungen im Sicherungswesen der Deutschen Reichsbahn. Glasers Annalen vom 01. Juli 1927, Seiten 169 bis170 |
[3] http://www.drehscheibe-online.de/foren/read.php?17,4361251
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Veröffentlicht am 28. Januar 2016 |