Das mechanische Stellwerk Wai war vom 9. Mai 1948 bis zum 31. Mai 1986, das elektromechanische Stellwerk vom  22. Dezember 1986  bis zum 21. Oktober 2011in Betrieb.

Wai ist die telegraphische Abkürzung von Waidmannslust.

Die Nachbarstellwerke von Wai waren der Fahrdienstleiter Wm Bf Wilhelmsruh und der  Fahrdienstleiter Foh des Bf Frohnau.

Architekt des Stellwerks Wai ist Carl Cornelius. Unter der Objektnummer 09012433 der Landesdenkmalliste Berlins steht Wai unter Denkmalschutz.

 

Bauformen des Stellwerks Wai:

Mechanisch Einheit von 1948 bis 1986. 1986 durch ein elektromechanisches Stellwerk der Bauform E12/43 der Signalwerkstatt Wuppertal ersetzt.

Das mechanische Hebelwerk setzte sich aus 4 Signal-, 2 Weichen- und  2 Riegelhebeln zusammen. 4 Formhauptsignale (A, B, C, D) sicherten die Fahrwege.

Das elektromechanische Hebelwerk setzte sich aus 4 Fahrstraßensignal-, 6 Rangierfahrstraßen-, 7 Weichen- und 1 Gleissperrenhebel zusammen. 6 Lichthauptsignale (A,B,C,D,E,F) und 3 Rangiersignale sicherten die Fahrwege.

Bahnhofs- und Streckenblock

Felderblock Bauform C eingleisige Strecke von und nach Wilhelmsruh und Frohnau. Fortsetzung Streckenblock auf den Bahnhofsgleisen zur Sicherung der Fahrten im Bahnhof. Ab 1981 Stichstreckenblock nach Frohnau.

 

km 9,5 der Strecke Stettiner Bahnhof—Oranienburg (VzG Strecke 6030). Standort des Stellwerks Wai bei Openstreetmap

Hinweis: Bitte mit dem Mauszeiger auf die Koordinaten unter Internal zeigen, damit der Positionsmarker angezeigt wird.

 

 
Inhaltsverzeichnis
 
  1. Eine Folge der Reparation: Das Stellwerk Wai
  2. Die betrieblichen Aufgaben des Stellwerks Wai 
  3. Die BVG übernimmt die Regie: Die Zeit ab dem 9. Januar 1984
  4. Zweigleisiger Ausbau, neues Stellwerk: Die Zeit von 1986 bis zur Außerbetriebnahme 2011
  5. Das Stellwerk Wai als Bildergalerie
  6. Woher stammt das Wissen?

 

Eine Folge der Reparation: Das Stellwerk Wai

 

Waidmannslust war betriebstechnisch ein Haltepunkt für den Vorortverkehr (später S-Bahn) und eine Blockstelle für den Vorortverkehr.[1] Das änderte sich zwangsweise nach der Demontage des Streckengleises Oranienburg - Stettiner Bahnhof als Folge Reparationen an die Sowjetunion. Damit auf der Nordbahn wieder ein Zwanzig-Minuten-Takt möglich war, wurde 1948 der Haltepunkt Waidmannslust in einen Bahnhof umgebaut. Er erhielt ein mechanisches Stellwerk der Bauform Einheit mit zwei Weichen und vier Formhauptsignale.  In [2] wird die Aufnahme des 20-Minuten Takt nach Birkenwerder der 09. Mai 1948 angegeben. Dieses Datum kann als das späteste Inbetriebnahmedatum des Stellwerk Wai angenommen weriden.  Um 1970 herum wurden zwei Handweichen eingebaut, die die Bedienung des Güterbahnhof Hermsdorf und den Anschluß der Volta-Werke ermöglichten, weil das Ferngleis nicht mehr befahrbar war und nicht erneuert wurde. Bei Bedienungsfahrten fiel ein Umlauf der S-Bahn aus. Der u.a. Lage- und Verschlußplan gibt die Situation des Bahnhofs Waidmannlust am 01. Oktober 1984 wieder.

 

Der Lage- und Verschlußplan des Stellwerks Wai vom 12. März 1948. Archiv Berliner Stellwerke

 

 

 Gebäude des mechanischen Stelwerk Wai. Es war ein Dienstag. Warum? Am einem Dienstag mußten die Sh 2-Scheiben aufgstellt werden. 04. Juni 1985. Aufnahme Jobst Petig

Gebäude des mechanischen Stelwerk Wai. Es war ein Dienstag. Warum? Am einem Dienstag mußten die Sh 2-Scheiben aufgstellt werden. 04. Juni 1985. Aufnahme Jobst Petig

 

 

Die betrieblichen Aufgaben des Stellwerks Wai 


Der Bahnhof Waidmannslust war ein Kreuzungsbahnhof zur Aufrechterhaltung des 20 Minuten Takt nach Oranienburg (nach dem 13. August 1961 bis Frohnau). Des Weiteren wurde der Anschluß Voltawerke und der Güterbahnhof Hermsdorf durch den Fdl Wai bedient. Das Stellwerk Wai hatte - wahrscheinlich wegen des nachkriegsbedingten Materialmangel - Besonderheiten aufzuweisen:

  •     Überprüfung der Besetzung der Bahnhofsgleise mittels „internen Streckenblock": Bei der Einfahrt von Wilhelmsruh nach Gleis 2 musste nach dem Rückblocken des Endfeldes A das Anfangsfeld A geblockt werden. Unterlies man diese Handlung, war eine erneute Einfahrt auf Signal nicht möglich, da die Wiederholungssperre unter dem Anfangsfeld A die erneute Auffahrtstellung des Einfahrsignals A verhinderte. Das Anfangsfeld A wurde erst durch das Blocken des Anfangsfeld C nach Frohnau wieder entblockt. Die gleiche Verfahrensweise galt für die Gegenrichtung. Mit dieser Blockschaltung wurde auf einfacher Art eine wirkungsvolle Gleisbesetzungsüberwachung realisiert. Bei Blockstörungen konnten die Anfangsfelder A und D mittels Hilfsschalter entblockt werden.
  •      Elektrische Streckentastensperren über den Anfangsfeldern B und C: Sehr unüblich für mechanische Stellwerke sind elektrische Streckentastensperren über Anfangsfeldern. In einem elektromechanischen Stellwerk sorgen sie für die Freigabe des Anfangsfeld nach Rücklegen des Signalhebels. Bei mechanischen Stellwerken übernimmt die Anfangssperre im Blockuntersatz diese Aufgabe. In diesem Fall verhinderten die elektrischen Streckenstastensperren ein Nachfahren in den Bahnhof, wenn der sich in Ausfahrt befindliche Zug das Bahnhofsgleis noch nicht vollständig geräumt hat. Die elektrischen Streckentastensperren lösten erst bei Befahren der Fahrstraßenzugschlußstelle (Fazu) aus und gaben das Anfangsfeld frei. Somit war durch Mitwirkung des Zuges sichergestellt, dass das Bahnhofsgleis vollständig geräumt war und erst dann mittels dem o.a. Verfahren das Bahnhofsgleis blocktechnisch freigegeben wird.
  •      Abhängigkeit zur Weiche 1 des Bahnhof Frohnau: Das Stellwerk Foh wurde rationalisierungsbedingt am 07. September 1981 außer Betrieb genommen[3]. Die Blockabhängigkeiten wurden im Stellwerk Wai durch Stichstreckenblock hergestellt. Der Schlüssel der Einfahrweiche 1 des Bahnhof Frohnau musste sich im Schubstangenschloß befinden und dieses frei schließen. Sonst waren keine Zugfahrten auf Signal- und Blockbedienung nach Frohnau möglich.[3]

 

Die BVG übernimmt die Regie: Die Zeit ab dem 9. Januar 1984

 

Am 09. Januar 1984 übernahmen die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) die Betriebsrechte der S-Bahn von der Deutschen Reichsbahn. Wie beim Stellwerk Wm schon beschrieben, stellte die BVG am 09. Januar 1984 den Betrieb zwischen Gesundbrunnen und Frohnau ein. Wegen starker Bürgerproteste wurde der Betrieb nach Frohnau am 01. Oktober 1984 wieder aufgenommen. Der eingleisige Zustand sollte aber nicht auf Dauer so bestehen bleiben. Der Senat plante den zweigleisigen Ausbau der Strecke von Wilhelmsruh nach Frohnau. Das Stellwerk Wai war nicht mehr erweiterbar. Am 31. Mai 1986 wurde das mechanische Stellwerk Wai außer Betrieb genommen. Über den Verbleib des Stellwerks liegen mir noch keine gesicherten Erkenntnisse vor. Es soll sich im Besitz der Berliner Eisenbahnfreunde e.V. befinden.

Der Lage- und Verschlußplan Wai Stand 1. Oktober 1984. Archv Berliner StellwerkeDer Lage- und Verschlußplan Wai Stand 1. Oktober 1984. Archv Berliner Stellwerke

 

Zweigleisiger Ausbau, neues Stellwerk: Die Zeit von 1986 bis zur Außerbetriebnahme 2011

Der Siemens Bauzug mit überklebtem DB-Logo. Heute zum Lachen. Foto Jobst PetigAls Erstes möchte ich Ihnen eine politische Kuriosität vorstellen, die heute nur noch zum Schmunzeln einlädt: Das linke Foto zeigt den Wohnschlafwagen der Signalbauwerkstatt Wuppertal. Das Stellwerk Wai wurde von der Signalbauwerkstatt Wuppertal errichtet. Die dazugehörigen Fahrzeuge wiesen alle das Logo der Deutschen Bundesbahn auf. Der Deutsche Reichsbahn passte es nicht, dass in Berlin (West) das Hoheitszeichen der Staatsbahn der Bundesrepublik Deutschland auf Anlagen der Deutschen Reichsbahn zu sehen war. Sie beschwerte sich bei der BVG, die die Angelegenheit pragmatisch löste: Über das trotzdem sichbare DB-Logo wurde einfach ein Siemens-Schriftzug geklebt. Die politische Integrität war somit wieder hergestellt.

 Das neue Stelllwerk Wai wurde als elektromechanisches Stellwerk der Bauform E43 mit Farbscheibenüberwachung und aufgesetzter Gleisfreimeldetafel Siemens S 2000 ausgeführt. Ursprünglich sollte das Stellwerk  6 Hauptsignale, 5 Rangiersignale, 7 Weichen und 2 Gleissperren steuern. Auf der ehemaligen Fernbahnstrasse der Nordbahn wurde mit Gleis 5 eine Abstellanlage neu errichtet. Der ehemalige Güterbahnhof Hermsdorf und die Volta-Werke waren über die Abstellanlage zu erreichen. Als Streckenblock war Relaisblock für zweigleisige Strecken in beiden Richtungen eingerichtet.  Für Bedienungsfahrten nach Schönholz war auf dem Gleis Schönholz- Waidmannslust ein Erlaubniswechsel vorgesehen, so dass man von Waidmannslust Gleis 2 auf Signalbedienung nach Schönholz ausfahren konnte. Durch die zwischenzeitliche Schließung der Voltawerke 1986 sind diese Fahrten obsolet und die Fahrmöglichkeiten sowie die Gleissperre I entfernt worden.

 Der Durchleitbetrieb wurde für die Ein- und Ausfahrten jeweils getrennt eingerichtet. Für eine Einfahrt von Wittenau nach Gleis 2musste der Fahrstraßensignalhebel a2, für die Ausfahrt von Gleis 2 nach Hermsdorf der Fahrstraßensignalhel b festgelegt sein. Insgesamt mussten bei Durchleitbetrieb in beiden Richtungen vier Fahrstraßensignalhel umgelegt sein. Für spitzes Kehren am Bahnsteig war die Fahrstraße a1 von Wittenau nach Gleis 1 vorgesehen. Block- und Achszählgrundstellungen wurden auf der Gleisfreimeldeanlage ausgeführt. Sämtliche Weichenhebel erhielten Weichenhebelsperren, die ein unzeitiges Umstellen einer besetzten Weiche verhinderten.

Das neue Hebelwerk im Aufbau. 11. September 1986. Aufnahme Jobst Petig

Das neue Hebelwerk im Aufbau. 11. September 1986. Aufnahme Jobst Petig 

 

 

Mit der Inbetriebnahme des Spurplanstellwerk Frohnau am 31. Mai 1992 änderte sich die Blockbelegung. Die BVG wollte die Bk Hermsdorf außer Betrieb setzen und dadurch einen Blockabschnitt zwischen Waidmannslust und Frrohnau schaffen. Das Endergebnis mutet kurios an: Zwischen Waidmannslust und Frohnau entstand ein Blockabschnitt mit Relaisblock Siemens Block (SB) 60, während in der Gegenrichtung die Bk Hermsdorf weiterhin die Blockabschnitte mit Relaisblock teilte. Vermutlich sah die BVG inmitten der Umbauphase keinen Sinn für die Außerbetriebnahme, weil in naher Zukunft die S-Bahn wieder an die Deutsche Reichsbahn zurückgegeben werden sollte.

Das Stellwerk Wai wurde im Zuge der Umstellung des Streckennetzes auf ESTW am 21. Oktober 2011 außer Betrieb genommen. Das Hebelwerk soll nach unbestätigten Auskünften an den Autor in den Raum Nürnberg verbracht worden sein. Mit Wai ging das letzte E43-Stellwerk in Berlin außer Betrieb.

 

Das Stellwerk Wai als Bildergalerie

 

 

 

Woher stammt das Wissen?

1] Deutsche Reichsbahn DV 506: Telegraphische Abkürzungen der Bahnhöfe, Haltepunkte und Blockstellen gültig ab 01. April 1933 Seite 38
[2] Bley, Peter: Berliner Nordbahn, 125 Jahre Eisenbahn Berlin - Neustrelitz - Stralsund. Verlag B. Neddermeyer 2002, Seite 66
[3] Berliner Verkehrs Betriebe: vorläufige Bedienungsanleitung in den Stellwerken Wm, Wai, Foh vom 01. Oktober 1984   

Veröffentlicht am 14. Dezember 2011

Letzte Bearbeitung am 10. Januar 2023