Eine seltene Innenaufnahme des Stellwerks Zfm von 1952. Der Fahrdienstleiter und der Telegraphist zeigen sich dem Fotografen sehr geschäftig.
1. Das Befehlsstellwerk des ältesten Bahnhof Berlins
Am 22. September 1838 nahm die erste Eisenbahn Preußens ihren Betrieb zwischen Zehlendorf und Potsdam auf. Zu diesem Zeitpunkt gab es natürlich keine sicherungstechnischen Anlagen auf dem Bahnhof Zehlendorf. Das änderte sich spätestens mit dem 1. Juli 1874, als die sogenannte alte Wannseebahn ihren Betrieb aufnahm. Sie verband vom Bahnhof Zehlendorf aus Schlachten-, Nikolas- und Wannsee und endete im heutigen Bahnhof Griebnitzsee in der Stammbahn. Ab diesem Zeitpunkt verfügte der Bahnhof Zehlendorf über eine Weichenstellerbude.
Wegen der starken Zunahme des Vorortverkehrs und der damit verbundenen Überlastung der Fernbahn wurde vom Berlin Potsdamer Bahnhof bis Zehlendorf eine eigene Vorortstrecke gebaut, um den Vorortverkehr vom Fernverkehr trennen zu können. Mit dem Bau dieser Strecke, die auch als neue Wannseebahn bezeichnet wird, wurde der Bahnhof Zehlendorf abermals umgebaut. Mit diesem Umbau entstand 1891 am südlichen Ende des Bahnsteigs das Stellwerk Zfm. Das Stellwerk erhielt ein Hebelwerk der Eisenbahnsignal-Bauanstalt Jüdel, das auf sämtlichen Stellwerken an der Potsdamer Stammbahn verbaut wurde.
2. Die Zeit vom Umbau des Bahnhofs Zehlendorf 1911 bis 1945
Zwischen 1911 und 1914 wurde der Bahnhof Zehlendorf wieder umgebaut. Er erhielt einen neuen Mittelbahnsteig an den Ferngleisen der Stammbahn, an dem die sogenannten Bankierzüge (siehe Exkurs) hielten. Durch diesen Umbau erhielt das Stellwerk Zfm ein elektromechanisches Hebelwerk der Bauform Siemens & Halske 1907. Über die Besetzung des Stellwerks aus diesem Zeitraum liegen mir keine belastbaren Quellen vor. Neben dem Fahrdienstleiter war mit großer Wahrscheinlichkeit noch ein Weichenwärter und ein Telegraphist auf dem Stellwerk Zfm tätig.
1933 wurde die Wannseebahn und die Stammbahn von Zehlendorf bis Berlin Potsdamer Bahnhof/Wannseebahnhof elektrifiziert. Bei den Sicherungsanlagen setzte die Reichsbahn nicht konsequent die damals modernsten Sicherungsanlagen ein. Um eine höhere Zugdichte zu ermöglichen, erhielt die Wannseebahn ab Berlin Potsdamer Bahnhof/Wannseebahnhof bis Zehlendorf zwar auf jedem Bahnsteig, der betrieblich ein Haltepunkt war, eine Blockstelle, aber als handbedientes Stellwerk mit Formsignalen. Erst ab Zehlendorf sicherte der Automatikblock mit Sv-Signalen die Zugfahrten. In Zehlendorf endete am Bahnsteig die mit Felderblock gesicherte Strecke. Ab Bahnsteigende Richtung Schlachtensee begann mit dem Ausfahrsignal 18 der Automatikblock.
1936 bediente der Fahrdienstleiter Zfm folgende Sicherungseinrichtungen:
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das Einfahrsignal A auf der Fernbahn von Lichterfelde West;
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das Einfahrsignal B auf der S-Bahn von Sundgauer Straße;
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das Ausfahrsignal C auf der S-Bahn nach Sundgauer Straße;
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das Ausfahrsignal D auf der Fernbahn nach Lichterfelde West;
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das Ausfahrsignal F auf der Fernbahn nach Düppel und Zehlendorf West;
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das Einfahrsignal K auf der Fernbahn von Düppel;
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das Einfahrsignal L der Verbindungskurve Zwt—Zfm.
Alle Signale waren Formhauptsignale.
Das Ausfahrsignal F war zu diesem Zeitpunkt nach der ehemaligen Preußischen Wegesignalisierung dreiflügelig. Die Fahrstraße F1 gestattete die Fahrt nach Düppel, die Fahrstraße F2 die Einfahrt in das elektrifizierte Gleis 14 für die Bankierzüge und die Fahrstraße F3 nach Gleis 13 für Güterzüge.
Das SV-Ausfahrsignal 18 nach Schlachtensee und das SV-Einfahrsignal 17 waren halbselbsttätig, um Kehrfahrten von und nach Gleis 15 und 16 zu ermöglichen.
15 Weichen, davon 2 doppelte Kreuzungsweichen, 1 einfache Kreuzungsweiche, 2 Gleissperrsignale, 4 Rangiersignale und 1 Gleissperre.
Die Bankierzüge und Güterzüge von Wannsee Richtung Potsdamer Bahnhof erreichten vom Stellwerk Zwt kommend die Fernbahn auf der Verbindungskurve, die als freie Strecke definiert und mit Streckenblock gesichert war. Diese Strecke wurde eingleisig im Richtungsbetrieb Zwt—Zfm befahren. Für die Gegenrichtung benutzen die Bankierzüge das elektrifizierte Gleis 14 und Güterzüge das Gleis 13 nach Zwt. Der Weichenwärter Zwt nahm für die Verbindungskurve die Aufgaben eines Fahrdienstleiter wahr. Der Bahnhofsblock zwischen Zfm und Zwt bestand aus einem Felderblock, weil es 1913 noch keine technische Möglichkeit gab, zwischen einen elektromechanischen und mechanischen Stellwerk eine Gleichstrom-Bahnhofsblockabhängigkeit herzustellen. Erst 1931 wurde mit der sog. Jäger-Schaltung eine technische Lösung gefunden.
Das Stellwerk Zfm war 1936 pro Dienstschicht mit je einem Fahrdienstleiter und je einem Weichenwärter durchgängig besetzt. Ein Telegraphist unterstützte den Fahrdienstleiter von 7.00 bis 10.00 Uhr und 13.45 bis 20.00 Uhr bei den Zugmeldungen. Der Telegraphist nahm von 7.00 bis 9.40 Uhr die Aufgaben einer Aufsicht auf dem Fernbahnsteig B wahr und fertigte die Bankierzüge ab. Während dieser Zeit musste der Weichenwärter die Aufgaben des Telegraphisten übernehmen.[1]
2.1. Exkurs: Der Bahnhof Zehlendorf
Am 22. September 1838 in Betrieb gegangen, ist Zehlendorf der älteste Bahnhof im heutigen Berliner Stadtgebiet. Anfangs endeten die Züge aus Potsdam in Zehlendorf, denn der gesamte Abschnitt bis zum Potsdamer Bahnhof in Berlin wurde erst am 29. Oktober 1838 aufgenommen. Der Bahnhof besaß zwei Seitenbahnsteige. Seit dem 1. Juli 1874 zweigt westlich vom Bahnhof die alte Wannseebahn ab, die über Schlachtensee, Wannsee nach Griebnitzsee zur Stammbahn führte. Vier Jahre später erhielt die Stammbahn zwischen Potsdamer Bahnhof und Zehlendorf eine eigene Vorortstrecke, die neue Wannseebahn. Der Bahnhof Zehlendorf wurde komplett umgebaut. Der Güterbahnhof wurde nordwestlich der Wannseebahngleise angelegt. Er war nicht direkt erreichbar, sondern nur mittels Umsetzen mit Kreuzung der Wannseebahngleise. In der zeitgenössischen Literatur wurde das nicht als Nachteil angesehen: „Der neue Güterbahnhof ist mit Rücksicht auf die bequeme Zugänglichkeit von Zehlendorf her auf der Nordseite der Wannseebahngleise angelegt. Die erforderlichen Wagen Verschiebungen können mit Hülfe eines 200m langen Ausziehgleises leicht bewerkstelligt werden."[2] Andererseits gab es auch keine Alternative. Wenn der Güterbahnhof zwischen Stamm- und Wannseebahn angelegt worden wäre, dann hätte man einen niveaufreien Zugang zu der Ladestraße herstellen müssen, was zu aufwendig und teuer geworden wäre.
Ab 13. Juli 1900 endeten in Zehlendorf elektrische Versuchszüge, einer der Vorläuferverkehre der Berliner S-Bahn. Nach knapp zwei Jahren, am 1. Juli 1902, endete dieser Versuchsbetrieb. Er war der erste von weiteren Versuchsbetrieben, die die technische Grundlage schufen für die spätere Elektrifizierung der Berliner Stadt-, Ring- und Vorortbahnen. Ab 1. Mai 1903 verkehrten erstmals zwischen Wannsee und Berlin Wannseebahnhof schnellfahrende Vorortzüge auf der Wannseebahn, die zwischen Zehlendorf und Berlin nicht hielten. Sie behinderten aber den Lauf der regulären Vorortzüge und eine weitere Verdichtung des Fahrplans, sodass die Züge am 1. Mai 1907 entfielen. Der zweite Versuch war erfolgreicher: Ab dem 16. Dezember 1907 verkehrten die Züge, die unter dem Namen Bankierzüge S-Bahn Geschichte schrieben. Sie fuhren über die Übergangsgleise in Zehlendorf auf die Ferngleise ohne Halt ab Zehlendorf bis Berlin Potsdamer Fernbahnhof. Zuerst gab es nur einen provisorischen Bahnsteig Richtung Berlin in Zehlendorf. Der zweite Bahnsteig Richtung Wannsee wurde ab 1. Oktober 1909 in Betrieb genommen. Dadurch konnten die Bankierzüge auch in Richtung Wannsee verkehren. Um die provisorischen Bahnsteige los zu werden, wurde der Bahnhof Zehlendorf zwischen 1913/14 abermals umgebaut in den heute noch erhaltenen Zustand. Am neuen Fernbahnsteig B hielten die Bankierzüge. Durch ein 1911 gebautes Verbindungsgleis mit Brücke über die Stammbahn erreichten die Bankierzüge in Richtung Berlin den Bahnsteig B vom Stellwerk Zwt aus.
Seit dem 15. Mai 1933 verkehren auf der Wannseebahn und den Ferngleisen der Stammbahn von Zehlendorf aus elektrische Züge. 1943 wurde das Empfangsgebäude aus dem Jahr 1891 durch Bombentreffer zerstört. 1945 verlor der Bahnhof den Fernverkehr. Ab Dezember 1945 pendelte zwischen Zehlendorf und Düppel ein Dampfzug, meist bespannt mit einer Dampflok der Baureihe 03. Ab 1948 endete diese wirtschaftlich ineffiziente Betriebsführung, die Strecke nach Düppel wurde elektrifiziert. Bis 1980 änderte sich daran nichts. Mit der Übernahme der Betriebsrechte durch die BVG wurde der seit dem Eisenbahnerstreik 1980 stillgelegte Bahnhof grundlegend saniert und am 1. Februar 1985 wieder in Betrieb genommen. Der Bahnhof Zehlendorf bei Stadtschnellbahn-Berlin.de | ||
3. Von 1945 bis zur Außerbetriebnahme Zfm durch die DR 1983
Wie im Exkurs beschrieben, pendelte ab 1948 zwischen Zehlendorf und Düppel ein S-Bahnzug . Laut Lage- und Verschlußplan Zfm vom 9. Mai 1947 war auch das elektrifizierte Gleis 14, auf dem die Bankierzüge nach Wannsee ausfuhren, abgebaut. Damit die S-Bahn Züge den Bahnsteig B erreichen konnten, wurden zwischen dem Gleis Zehlendorf—Sundgauer Straße der S-Bahn und dem Gleis Lichterfelde West—Zehlendorf der Fernbahn die Weichen 13 und 14 eingebaut. Für diese Umsetzfahrten gab es extra eingerichtete Rangierfahrstraßen, die im Verschlußplan mit Rangierfahrt aus Gleis 3 bis km 11,6 und von dort mit Ra12 des Signal V3 nach Gleis 2. Die Fahrten nach Düppel waren nicht blocktechnisch gesichert.
Die einzigen Personenzüge auf der Stammbahn waren die seit 1946 verkehrenden Züge der amerikanischen Besatzungsmacht von und nach Lichterfelde West. Die Amerikaner verlangten zwischen Lichterfelde West und Zehlendorf eine zweigleisige Strecke. Die Deutsche Reichsbahn wollte dagegegen aus Kostengründen eine eingleisige Betriebsführung. Die Situation verschärfte sich nach dem Reichsbahnerstreik 1980: Der Verkehr nach Düppel und auf der Wannseebahn wurde eingestellt, das Stellwerk Zfm war betrieblich überflüssig. Noch immer bestanden die Amerikaner auf die Zweigleisigkeit von Lichterfelde West bis Zehlendorf. Im Frühjahr 1982 baute die Deutsche Reichsbahn den Bahnhof so um, dass das Stellwerk Zwt geschlossen werden konnte. Im Bereich des Stellwerks Zfm wurde durch ein neues Weichenpaar südlich der Weichen 13 und 14 der Übergang von der eingleisigen Strecke in die zweigleisige Strecke nach Lichterfelde West gewährleistet[3]. Erst knapp zwei Jahre später, am 3. Dezember 1983 durfte die Deutsche Reichsbahn mit Genehmigung der Amerikaner das zweite Gleis außer Betrieb nehmen. Das Stellwerk Zfm war damit endgültig betrieblich überflüssig geworden und wurde vermutlich noch im Dezember 1983 außer Betrieb genommen[4].
Der Lage- und Verschlußplan des Stellwerks Zfm vom 9. Mai 1947. Bis auf spätere Änderungen zeigt der Plan weitgehend den Zustand von 1947. Wenn Ihnen das Dokument interessiert, können Sie es sich gern downloaden.
Lage_Verschlußplan_Zfm_1947.pdf (Rechtsklick "Ziel speichern unter - bei Firefox - lädt das Dokument auf die Festplatte).
4. Die Zeit von der Wiederinbetriebnahme durch die BVG bis zur Außerbetriebnahme 2003
Die Ruhe währte nicht lange. Die BVG übernahm am 9. Januar 1984 die Betriebsrechte der S-Bahn in West-Berlin. Die Wannseebahn sollte wiedereröffnet werden. Hier ein interner Vermerk der Abteilung E 1 der BVG vom 5. April 1984: „Das im Bf. Zehlendorf vorhandene Einreihenhebelwerk - Bauform S u. H 1907 - kann nicht mehr in Betrieb gesetzt werden. Ersatzteile sind weder bei der BVG noch der DB beschaffbar. Weiterhin verfügt die DB nicht mehr über Fachpersonal für diese Bauform." Anmerkung des Autors: Sowohl bei der DB als auch bei der DR waren 1984 Stellwerke der Bauform Siemens & Halske 1907 in Betrieb, z.B. in Koblenz, Ulm, Leipzig, Zeitz und in West-Berlin das Stellwerk Wot. Diese Stellwerke waren noch bis in jüngster Zeit in Betrieb und demensprechend auch unterhalten. Meiner Auffassung nach ein vorgeschobener Grund. In Wirklichkeit war der Neubau kostengünstiger als die Überholung und Erhaltung der bisherigen Anlage, wie eine Notiz der BVG vom 5. Juni 1984 belegt. Die BVG ersetzte das alte Hebelwerk durch ein Hebelwerk der Bauform E43 der Signalbauwerkstatt Wuppertal.
Das Stellwerk war mit 11 Weichen, einen Siemens S2000 Gleisbildaufsatz für die Gleisfreimeldung und Hilfsbedienungen wie Achszähler-Grundstellung und 12 Fahrstraßensignalhebeln ausgerüstet. Wie bei der BVG üblich, waren Rangierfahrstraßen für S-Bahn Züge mit roten Hebeln ausgestattet. Für den Durchleitbetrieb mußten für jede Richtung je zwei Hebel umgelegt werden, da Ein- und Ausfahrten getrennt gestellt werden mußten.
Der Fahrdienstleiter Zfm setzte morgens zwei Züge ein, abends wieder aus. Bis auf gelegentliche Bedienungsfahrten der S-Bahnmeisterei Zehlendorf, die seit 1985 auf dem ehemaligen Güterbahnhof beheimatet war, konnte man von einem ruhigen Arbeiten sprechen. Seit dem 13. Februar 2003 wird der Bahnhof Zehlendorf von der Betriebszentrale Halensee ferngesteuert.
5. Die Bildergalerie von Zfm
6. Quellen und weitere Links
[1] Bahnhofsdienstanweisung Zehlendorf Mitte vom 15. April 1936 LAB A Rep 080-01 Nr. 113
[2] Zeitschrift für Bauwesen 1893 Heft 10 bis 13, Der Bau der Wannseebahn und die Umgestaltung des Potsdamer Bahnhofes in Berlin, Sp 547
[3] Berliner Verkehrsblätter 9/1982 Kurzmeldungen Seite 226
[4] Bley, Peter: 175 Jahre Eisenbahn Berlin—Potsdam, Verlag Neddermey 2013, Seite 189
Zeitzeugenaussagen
Letzte Bearbeitung 3. November 2015