Das mechanische Stellwerk Wm war vom 22. Dezember 1910 bis zum 22. Dezember 1986 (ausgenommen die Zeit vom 9. Januar bis zum 1. Oktober 1984) in Betrieb. Die telegraphische Abkürzung Wm steht für Wilhelmsruh. Von 1910 bis 1938 war Rkf für Reinickendorf Rosenthal die telegraphische Abkürzung. Wm war betrieblich ein Befehlsstellwerk. Der Fahrdienstleiter Wm regelte die Zugfahrten auf der S-Bahn von und nach Schönholz und Waidmannslust. Die benachbarten Stellwerke waren im Bahnhof Schönholz Snlb und Snl (ab 1936 Snt) und die Blockstelle Win bis 1945, danach das Stellwerk Wai des Bahnhofs Waidmannslust. Der Architekt des Stellwerks Wm war Ernst Schwartz. Der Hochbau steht unter der Objektnummer 09012102 unter Denkmalschutz. Zum Titelfoto: Der Fahrdienstleiter Rainer Quednau bei der körperlich anspruchsvollen Arbeit im mechanischen Stellwerk Wm. 1985 Foto: Rainer Quednau. |
Bauform des Stellwerks Wm: Das mechanische Hebelwerk von Wm der Bauform S&H stammt von Siemens & Halske. Besonderheit bei der Bauform Siemens & Halske: Die Grundstellung der Hebel befindet sich unten. |
Bahnhofs- und Streckenblock Felderblock nach Wai und Snt. Ab 1945 Felderblock Bauform C nach Wai. Bauform Halle für Stellwerke, die nicht mit Blocksperren für die Blockabhängigkeiten nachgerüstet werden konnten. Ein Blockschieber stellte die Abhängigkeiten zwischen dem Anfangs- und Erlaubnisfeld her. Seit den 1960er war die Strecke Schönholz—Wilhelmsruh mit Erlaubniswechsel Bauform C ausgerüstet für die Bedienungsfahrten nach Hermsdorf Gbf und den Volta Werken. Wm hatte Stand 1984 drei Formhauptsignale (B,C,D), eine Weiche und einen Riegel. Die Notkehre war mit einen Rangiersignal Ra 11a ausgerüstet. |
km 5,5 der Strecke Nordbahnhof—Oranienburg (VzG Strecke 6030). Standort des Stellwerks Wot bei Openstreetmap Hinweis: Bitte mit dem Mauszeiger auf die Koordinaten unter Internal zeigen, damit der Positionsmarker angezeigt wird. Unteres Foto: Lage des Stellwerks Wm auf dem Bahnsteig Wilhelmsruh 1969. Geoportal Berlin, Lizenz dl-de/by-2-0 https://www.govdata.de/dl-de/by-2-0 |
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Inhaltsverzeichnis |
Stellwerk Wilhelmsruh - Wm
Zwischen 1908 und 1912 wurde die Nordbahn zwischen Schönholz und Hermsdorf viergleisig ausgebaut und hochgelegt. Daraus ergab sich der Neubau der Station Reinickendorf Rosenthal, die zwischen 1908 und 1910 erbaut wurde. Der ehemalige Haltepunkt wurde betriebstechnisch zu einem Bahnhof ausgebaut. Er erhielt auf der Nordseite Richtung Wittenau zwei Weichen für den Gleiswechselbetrieb. Diese beiden Weichen steuerte das neue Stellwerk Rkf. Den Namen Wilhelmsruh erhielt der Bahnhof erst am 3. Oktober 1937.[1]
Warum wurde so kurz hinter Schönholz eine Weichenverbindung für den Vorortverkehr eingebaut? Eine mögliche Erklärung wäre die nicht vorhandene Kehrmöglichkeit des Bahnhofs Schönholz für den Vorortverkehr. Vom Vorortbahnhof Schönholz zweigte die Kremmener Bahn ab. Eine Kehrmöglichkeit war dort nicht vorhanden. In Wilhelmsruh konnte man auf dem Gleis nach Schönholz einfahren und Richtung Wittenau auf dem Regelgleis wieder ausfahren. Der Fahrdienstleiter Wm regelte nur den Vorort bzw. S-Bahn-Verkehr. Mit den Ferngleisen hatte er betrieblich nichts zu tun. Neben Schönholz war die Bk Win (Wittenau) Richtung Hermsdorf die benachbarte Zugfolgestelle.
Einfahrender S-Bahnzug der S2. Rechts im Bild das Signal C. 1985 Foto: Rainer Quednau
Die gesteigerte betriebliche Bedeutung ab 1945
1945 demontierten die Sowjets das Gleis Wittenau—Schönholz. Der Betrieb nach Oranienburg wurde ab August 1945 im Stundentakt vom Stettiner Bahnhof nach Hermsdorf mit Umsteigen in Hermsdorf durchgeführt. Weil diese Betriebsführung auf Dauer nicht zufriedenstellend war, baute die Deutsche Reichsbahn das zweite Gleis von Ntm bis Wilhelmsruh wieder auf. Am 19. November 1945 wurde der zweigleisige Betrieb bis Wilhelmsruh wieder im Halbstundentakt aufgenommen. Bis 1948 wurden in Frohnau und Waidmannslust weitere Kreuzungsmöglichkeiten geschaffen, so dass der 20 Minuten Takt wieder aufgenommen werden konnte. Ab 1948 war der Fahrdienstleiter Wai die benachbarte Zugmeldestelle.[2]
Lage- und Verschlussplan Stellwerk Wm vom 2. November 1945. Archiv Berliner Stellwerke.de
Die Besonderheiten des Stellwerks Wm:
- Bei der Inbetriebnahme des umgebauten Stellwerks im November 1945 wurde der Streckenblock vom Einfahrsignal D bis zum Ausfahrsignal B weiter geführt. Siehe auch den o.a. Lage- und Verschlussplan die Spalten 1 bis 3. Das Endfeld D2 gab die Strecke von Waidmannslust frei. Danach wurde das Anfangsfeld D2 nach Signal B geblockt. Damit war das Gleis 1 für nachfolgende Zugfahrten gesichert. Nach der Ausfahrt des Zuges Richtung Schönholz wurde das Endfeld B zusammen mit dem Anfangsfeld B geblockt. Die Fortführung des Streckenblocks im Bahnhof wurde erst aufgegeben, nachdem das Feld 3 für die Erlaubnis von und nach Schönholz benötigt wurde, um damit die Bedienungsfahrten auf dem Gleis Schönholz—Wilhelmsruh in der Gegenrichtung zu ermöglichen. |
- Das Einfahrsignal D zeigte anfänglich nur Hp 2. Nach der Umrüstung zeigte es Hp 1 für die Fahrt nach Schönholz über Gleis 2 und Hp 2 mit zugelassener Geschwindigkeit von 60 km/h für die Fahrt über Gleis 1. |
- Die Ausfahrt nach Schönholz auf Signal B erfolgte ohne blockelektrische Fahrstraßenfestlegung. Der Fahrstraßenknebel b wurde nur mechanisch festgelegt. Danach konnte der Signalhebel B in die Fahrstellung umgelegt werden. Das war möglich, weil keine Weiche im Fahrweg lag. Die Vorblockung war erst möglich, wenn der Fahrstraßenknebel in die Grundstellung zurückgelegt wurde. |
- Die Einfahrt von Waidmannslust nach Gleis 1 bedingte eine Freischließung mittels Schlüsseltaste auf dem Bahnsteig. Damit wurde der Fahrdienstleiter gezwungen, die erforderliche Fahrwegprüfung für Gleis 1 auch durchzuführen. Gleis 1 war vom Stellwerk nicht komplett einsehbar. |
- Für alle Fahrten außer auf Signal B gab es nur ein Fahrstraßenfestlegefeld, das durch eine Dauerstromtastensperre gesperrt war. Diese Tastensperre gab das Blockfeld erst frei, wenn ihr Sperrmechanismus durch einen Dauerstrom freigegeben war. Für die Einfahrt nach Gleis 1 bekam die Tastensperre ihren Strom durch die Freischließung. |
- Rangierfahrt in die Kehranlage aus Gleis 2: Einfahrt nach Gleis 2, Signal C bleibt in Haltstellung. Damit der Rückblock nach Schönholz möglich ist, muss der Anschalter C bedient werden. Dadurch löst die Streckentastensperre über dem Endfeld von Schönholz aus. Sonst ist für die Auslösung ein Fahrtbegriff am Hauptsignal erforderlich. Die Kehrfahrt erfolgt mit festgelegter Fahrstraße. Beim Rangieren in die Kehranlage löst die Streckentastensperre C aus. Für die Rangierfahrt aus der Kehranlage nach Gleis 1 musste ebenfalls die Freischließung für Gleis 1 bedient werden. |
- Die Strecke Schönholz – Wilhelmsruh war eine zweigleisige Strecke mit Erlaubniswechsel für das Gleis Schönholz – Wilhelmsruh. Seit ca. 1970 wurden die Volta-Werke in Waidmannslust nicht mehr über das ehemalige Ferngleis der Nordbahn bedient, weil das Gleis zu marode geworden war. Die Bedienungsfahrten erfolgten nun über das S-Bahn Gleis. In Schönholz war eine Einfahrt in den Güterbahnhof vom Regelgleis Wilhelmsruh – Schönholz wegen fehlender Weichenverbindungen nicht möglich. Daher erfolgten die Fahrten auf dem Gegengleis mit voller Signal- und Blockbedienung. Für die Bedienungsfahrten zu den Volta-Werken fiel ein Umlauf nach Frohnau aus. Dieser kehrte in Wilhelmsruh.[3] |
Das Ausfahrsignal B war wegen der Sichtverhältnisse niedriger ausgeführt als die Norm vorsah. 9. Mai 1982. Foto Stefan Walter
Bei Siemens & Halske Stellwerken war die Grundstellung aller Hebel unten. Welche Folgen das haben kann, erlebte der Vater des Autors selbst in Wilhelmsruh in den 1970er Jahren: Der Vorgesetze war in Wilhelmsruh zur Dienstpostenkontrolle. Damals ging es meistens familiär zu bei der Deutschen Reichsbahn in Berlin (West). Man unterhielt sich locker. Der Vorgesetzte war selbst auf verschiedenen Stellwerken geprüft, um im Bedarfsfall selbst den Dienst ausüben zu können. Er kannte aber nur die Einheitsbauform wie Snt und Tga mit Hebelgrundstellung oben. Mein Vater stellte die Ausfahrt C nach Waidmannslust auf Fahrt. Wie das nun so ist, beim Unterhalten fiel den Vorgesetzten auf, das die Ausfahrt ja noch nicht steht und sagte „Helmut, Du hast die Ausfahrt vergessen." und legte den Signalhebel C in die vermeintliche Fahrtlage noch bevor mein Vater irgendwie reagieren konnte. Er wollte ja nur helfen. Nur die plötzlichen Bremsgeräusche verwunderten den Vorgesetzten nun doch. Hatte er doch den ausfahrenden Zug die Ausfahrt sozusagen vor der Nase eingeworfen. Im Gegensatz zu heute konnte man die Sache noch unter sich ausmachen. Bei den wenigen Fahrgästen fiel sowas sowieso nicht auf. Der peinlich berührte Vorgesetzte rührte nie wieder irgendwelche Hebel an.
Auszug aus dem Buchfahrpanheft 14 der Rbd Berlin 1973. Archiv Berliner Stellwerke.deAb ca. 1970 war das Fernbahngleis der Nordbahn zwischen Schönholz und Waidmannslust nicht mehr befahrbar. Die Bedienungsfahrten zum Bahnhof Hermsdorf (und den Anschluss Voltawerke) erfolgten über das S-Bahn Gleis. Für diese Fahrten musste das Stellwerk Wm sicherungstechnisch angepasste werden. Vermutlich wollten die Verantwortlichen bei der DR die Betriebsdurchführung zwischen Wilhelmsruh und Schönholz durch das Befahren des „falschen“ Gleises mittels Befehls und Rückmelden verzichten. Also wurde das signalisierte Falschfahren eingerichtet. Der Streckenblock für das Gleis Schönholz—Wilhelmsruh wurde zur Bauform C umgebaut. Den erforderlichen Platz erhielt man durch den Fortfall des Streckenblocks zwischen Signal D und B. Fortan musste der Fahrdienstleiter Wm durch Freischließen das Freisein des Gleises 1 prüfen. Die Weiche 1 war in der Pluslage zur Fahrt nach Gleis 1 verriegelt. Um die Minuslage zur verriegeln, hätte es eines zweiten Riegelhebels bedurft. Im Hebelwerk Wm war sogar noch Platz für einen weiteren Riegelhebel. Vermutlich konnte die DR keinen Weichenhebel der Bauform Siemens & Halske mehr beschaffen. Man behalf sich damit, dass die Geschwindigkeit der Übergabezüge auf 40 km/h beschränkt wurde. Nur bei einer Geschwindigkeit über 40 km/h war die Verriegelung einer spitz befahrenden Weiche nach den Regelwerken vorgeschrieben. Die Übergabefahrten fanden in der Regel nachts statt. Es gab aber auch abends Übergabefahrten. Als Folge davon fiel ein Umlauf der S-Bahn nach Frohnau aus. Aus diesem Grund konnte in Wilhelmsruh über eine Notkehre umgesetzt werden.
Der Lage- und Verschlussplan Wm vom 1. Oktober 1984 zeigt die Veränderungen gegenüber 1945 sehr deutlich. Archiv Berliner Stellwerke.de
Das Stellwerk in seiner ganzen Pracht. Alle Hebel befinden sich in Grundstellung wie vorgeschrieben. 14. Dezember 1984. Foto Jobst Petig1980 sollte nach Zeitzeugenaussagen das Stellwerk Wm durch ein elektromechanisches Stellwerk der Bauart E12/78 ersetzt werden. Das Hebelwerk war in der Signal- und Fernmeldemeisterei der DR in der Kolonnenstraße schon einbaufertig vorbereitet. Der Reichsbahnerstreik vom 17. bis 25. September 1980 bereitete dem Umbau ein jähes Ende. Nach diesem, aus der Perspektive der DDR gesehen, revanchistischen Streik, wollte man erst einmal nicht mehr investieren. Die defizitäre S-Bahn wollte man sowieso längst loswerden. Rund drei Jahre später war die DR am Ziel ihrer Wünsche: Die S-Bahn in Berlin-West erhielt einen neuen Betreiber. Die - laut Vertrag - vom Senat zu bestimmende Stelle, war keine andere als die landeseigene BVG. Diese übernahm zum 9. Januar 1984 04:00 Uhr die Betriebsrechte von der Deutschen Reichsbahn. Diese stellte dann auf dem Streckenabschnitt Anhalter Bahnhof Frohnau den Betrieb ein. Angeblich war die angespannte Personallage schuld daran.
Die Zeit vom 1. Oktober 1984 bis zur Außerbetriebnahme 1986 und die Blockstelle Wm
Am 1. Oktober 1984 nahm die BVG nach starken Bürgerprostesten den Betrieb nach Frohnau wieder auf. [4] Das Stellwerk Wm besetzten nun Personale der BVG. Für die Bedienung des Stellwerks gab die BVG extra eine Bedienungsanweisung für die Stellwerke Wm, Wai und Foh heraus. Es gab bei der BVG außerhalb der S-Bahn zu diesem Zeitpunkt keine mechanischen Stellwerke mehr. Wegen der gesteigerten Verkehrsbedeutung dieser Strecke war der zweigleisige Ausbau bis Frohnau vorrangiges Ziel des Berliner Senats. Im November 1985 wurde in Wilhelmsruh eine Bauweiche für den Aufbau des zweiten Gleises eingebaut. Für den endgültigen Ausbau wurde ab 5. Mai 1986 das Gleis zwischen Wittenau und Frohnau gesperrt. Der Bahnhof Wittenau wurde ab 18. August 1986 im 10-Minuten-Takt bedient. Dazu wurde im Stellwerk Wm ein Stichstreckenblock eingerichtet. Im ehemaligen Endfeld von Waidmannslust war die Schlüsselfreigabe für das Baugleis ab Wittenau Nordbahn eingerichtet. Solange dieses Feld geblockt war, waren keine Zugfahrten nach Wittenau möglich. Im Dienstraum Wittenau befand sich das korrespondierende Blockfeld. War es entblockt, wurde der Schlüssel für die Baugleisbedienung freigegeben.
Mit der Aufnahme des zweigleisigen Betrieb am 22. Dezember 1986 ging das Stellwerk Wm außer Betrieb. Der Bahnhof Wilhelmsruh wurde betrieblich zu einer Blockstelle abgestuft. Für die Regelung der Zugfahrten wurden bis Frohnau drei Blockstellen in Betrieb genommen. Eine davon war die Blockstelle Wm. Die Blockstelle Wm bestand aus einen Gleisbildpult der Bauform Siemens S 2000. Es war quadratisch ausgelegt mit insgesamt 36 Tischfeldern. Im Regelfall war der Selbststellbetrieb der beiden Blocksignale A und B eingeschaltet. Der Blockwärter Wm, gleichzeitig die örtliche Aufsicht Wm, konnte seinen betrieblichen Aufgaben nachgehen, ohne ständig die Fahrten zulassen zu müssen. Die Blockstelle befand sich nicht im ehemaligen Stellwerksraum Wm, der sich in Richtung Waidmannslust ganz hinten befand, sondern im vorderen Dienstraum der Aufsicht. Mit der Inbetriebnahme des ESTW Waidmannslust zum 21. Oktober 2011 war auch die Blockstelle Wm Geschichte.
Die Blockstelle Wm einen Monat vor ihrer Außerbetriebnahme. Vor dem Blocksignal A steht zur Abfahrt bereit ein S-Bahnzug. 22. September 2011. Foto Lars Molzberger
Das Stellwerk Wm blieb als technisches Denkmal für die Nachwelt erhalten. Sie können sich das Stellwerk im Berliner U-Bahn Museum ansehen. Dieses Museum basiert ebenfalls auf einen Stellwerk. Das Stellwerk Olympiastadion der BVG war bei seiner Inbetriebnahme 1931 das größte Stellwerk seiner Bauart in Europa.
Zum Abschluß die Fotogalerie vom Stellwerk Wm
Woher stammt das Wissen? |
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Veröffentlicht am 14. Dezember 2011 Letzte Bearbeitung am 21. Januar 2023 |