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Das Stellwerk Wm in Kürze

 

Die telegraphische Abkürzung Wm steht für Wilhelmsruh.

  

Felderblock zweigleisige Strecke mit Erlaubniswechsel nach Schönholz. Felderblock Bauform C eingleisige Strecke nach Waidmannslust Wai.

 

   

Das mechanische Stellwerk Wsk war vom 22. Dezember 1910 bis zum 22. Dezember 1986 in Betrieb.

 

Das mechanische Hebelwerk der Bauform Siemens & Halske lieferte die Firma Siemens & Halske.

 

Der Architekt des Stellwerks Wm ist Ernst Schwartz. Das Gebäude steht mit dem Bahnhof Wilhelmsruh unter Denkmalschutz.

Der Standort des Stellwerks Wm bei Google Maps.

Der Fahrdienstleiter Wm regelte die Zugfahren von Schönholz nach Waidmannlust. Seit 1945 wechselte im Bahnhof Wilhelmsruh die zweigleisige Strecke nach und von Schönholz in die eingleisige Strecke nach und von Waidmannslust. Die benachbarten Stellwerke waren Richtung Waidmannslust das Stellwerk Wai und in Richtung Schönholz das Stellwerk Snt.

Zum Titelfoto: Der Fahrdienstleiter Rainer Quednau bei der körperlich anspruchsvollen Arbeit im mechanischen Stellwerk Wm. 1985  Foto: Rainer Quednau.

 

1. Stellwerk Wilhelmsruh - Wm

 

 

Zwischen 1908 und 1912 wurde die Nordbahn zwischen Schönholz und Hermsdorf viergleisig ausgebaut und hochgelegt. Daraus ergab sich der Neubau der Station Reinickendorf Rosenthal, die zwischen 1908 und 1910 erbaut wurde. Der ehemalige Haltepunkt wurde betriebstechnisch zu einem Bahnhof ausgebaut. Er erhielt auf der Nordseite Richtung Wittenau zwei Weichen für den Gleiswechselbetrieb. Diese beiden Weichen steuerte das neue Stellwerk Rkf. Den Namen Wilhelmsruh erhielt der Bahnhof erst am 03. Oktober 1937.[1]

Warum wurde so kurz hinter Schönholz eine Weichenverbindung für den Vorortverkehr eingebaut? Eine mögliche Erklärung wäre die nicht vorhandene Kehrmöglichkeit des Bahnhofs Schönholz für den Vorortverkehr. Vom Vorortbahnhof Schönholz zweigte die Kremmener Bahn ab. Eine Kehrmöglichkeit war dort nicht vorhanden. In Wilhelmsruh konnte man auf dem Gleis nach Schönholz einfahren und Richtung Wittenau auf dem Regelgleis wieder ausfahren. Der Fahrdienstleiter Wm regelte nur den Vorort bzw. S-Bahn-Verkehr. Mit den Ferngleisen hatte er betrieblich nichts zu tun. Neben Schönholz war die Bk Win (Wittenau) Richtung Hermsdorf die benachbarte Zugfolgestelle. 

 

Lage- und Verschlußplan Stellwerk Wm Stand 01. Oktober 1984. Zeichnung Slg Lars Molzberger

 

 

 

Einfahrender S-Bahnzug der S2. Rechts im Bild das Signal C. 1985 Foto: Rainer Quednau

 

 

 

2. Die gesteigerte betriebliche Bedeutung ab 1945

 

1945 demontierten die Sowjets das Gleis Wittenau – Schönholz. Der Betrieb nach Oranienburg wurde ab August 1945 im Stundentakt vom Stettiner Bahnhof nach Hermsdorf mit Umsteigen in Hermsdorf durchgeführt. Weil diese Betriebsführung auf Dauer nicht zufriedenstellend war, baute die Deutsche Reichsbahn das zweite Gleis von Ntm bis Wilhelmsruh wieder auf. Am 19. November 1945 wurde der zweigleisige Betrieb bis Wilhelmsruh wieder im Halbstundentakt aufgenommen. Bis 1948 wurden in Frohnau und Waidmannslust weitere Kreuzungsmöglichkeiten geschaffen, so dass der 20 Minuten Takt wieder aufgenommen werden konnte. Ab 1948 war der Fahrdienstleiter Wai die benachbarte Zugmeldestelle.[2]

 

 

3. Die Besonderheiten des Stellwerks Wm:

 

Die Ausfahrt nach Schönholz auf Signal B erfolgte ohne blockelektrische Fahrstraßenfestlegung. Der Fahrstraßenknebel b wurde nur mechanisch festgelegt. Danach konnte der Signalhebel B in die Fahrstellung umgelegt werden. Das war möglich, weil keine Weiche im Fahrweg lag. Die Vorblockung war erst möglich, wenn der Fahrstraßenknebel in die Grundstellung zurückgelegt wurde.

Die Einfahrt von Waidmannslust nach Gleis 1 bedingte eine Freischließung mittels Schlüsseltaste auf dem Bahnsteig. Damit wurde der Fahrdienstleiter gezwungen, die erforderliche Fahrwegprüfung für Gleis 1 auch durchzuführen. Gleis 1 war vom Stellwerk nicht komplett einsehbar.

-  Für alle Fahrten außer auf Signal B gab es nur ein Fahrstraßenfestlegefeld, das durch eine Dauerstromtastensperre gesperrt war. Diese Tastensperre gab das Blockfeld erst frei, wenn ihr Sperrmechanismus durch einen Dauerstrom freigegeben war.  Für die Einfahrt nach Gleis 1 bekam die Tastensperre ihren Strom durch die Freischließung.

Rangierfahrt in die Kehranlage aus Gleis 2: Einfahrt nach Gleis 2, Signal C bleibt in Haltstellung. Damit der Rückblock nach Schönholz möglich ist, muss der Anschalter C bedient werden. Dadurch löst die Streckentastensperre über dem Endfeld von Schönholz aus. Sonst ist für die Auslösung ein Fahrtbegriff am Hauptsignal erforderlich.  Die Kehrfahrt erfolgt mit festgelegter Fahrstraße. Beim Rangieren in die Kehranlage löst die Streckentastensperre C aus. Für die Rangierfahrt aus der Kehranlage nach Gleis 1 musste ebenfalls die Freischließung für Gleis 1 bedient werden.

Die Strecke Schönholz – Wilhelmsruh war eine zweigleisige Strecke mit Erlaubniswechsel für das Gleis Schönholz – Wilhelmsruh. Seit ca. 1970 wurden die Volta-Werke in Waidmannslust nicht mehr über das ehemalige Ferngleis der Nordbahn bedient, weil das Gleis zu marode geworden war. Die Bedienungsfahrten erfolgten nun über das S-Bahn Gleis. In Schönholz war eine Einfahrt in den Güterbahnhof vom Regelgleis Wilhelmsruh – Schönholz wegen fehlender Weichenverbindungen nicht möglich. Daher erfolgten die Fahrten auf dem Gegengleis mit voller Signal- und Blockbedienung. Für die Bedienungsfahrten zu den Volta-Werken fiel ein Umlauf nach Frohnau aus. Dieser kehrte in Wilhelmsruh.[3]

 

Bei Siemens & Halske Stellwerken war die Grundstellung aller Hebel unten. Welche Folgen das haben kann, erlebte der Vater des Autors selbst in Wilhelmsruh in den 1970er Jahren: Der Vorgesetze war in Wilhelmsruh zur Dienstpostenkontrolle. Damals ging es meistens familiär bei der Deutschen Reichsbahn in Berlin (West) zu. Man unterhielt sich locker. Der Vorgesetzte war selbst auf verschiedenen Stellwerken geprüft, um im Bedarfsfall selbst den Dienst ausüben zu können. Er kannte aber nur die Einheitsbauform wie Snt und Tga mit Hebelgrundstellung oben. Mein Vater stellte die Ausfahrt C nach Waidmannslust auf Fahrt.  Wie das nun so ist, beim Unterhalten fiel den Vorgesetzten auf, das die Ausfahrt ja noch nicht steht und sagte „Helmut, Du hast die Ausfahr vergessen." und legte den den Signalhebel C in die vermeintliche Fahrtlage noch bevor mein Vater irgendwie reagieren konnte. Er wollte ja nur helfen. Nur die plötzlichen Bremsgeräusche verwunderten den Vorgesetzten nun doch. Hatte er doch den ausfahrenden Zug die Ausfahrt sozusagen vor der Nase eingeworfen. Im Gegensatz zu heute konnte man die Sache noch unter sich ausmachen. Bei den wenigen Fahrgästen fiel sowas sowieso nicht auf. Der peinlich berührte Vorgesetzte rührte nie wieder irgendwelche Hebel an.

 

Das Blockwerk Wm ist bis auf dem letzten Platz belegt. 1986. Foto Rainer Quednau

 

 

1980 sollte nach Zeitzeugenaussagen das Stellwerk Wm durch ein elektromechanisches Stellwerk der Bauart E12/78 ersetzt werden. Das Hebelwerk war in der Signal- und Fernmeldemeisterei der DR in der Kolonnenstraße schon einbaufertig vorbereitet. Der Reichsbahnerstreik vom 17. bis 25. September 1980 bereitete dem Umbau ein jähes Ende. Nach diesem, aus der Perspektive der DDR gesehen, revanchistischen Streik, wollte man erst einmal nicht mehr investieren. Die defizitäre S-Bahn wollte man sowieso längst loswerden. Rund drei Jahre später war die DR am Ziel ihrer Wünsche: Die S-Bahn in Berlin-West erhielt einen neuen Betreiber. Die - laut Vertrag - vom Senat zu bestimmende Stelle, war keine andere als die landeseigene BVG. Diese übernahm zum 09. Januar 1984 04:00 Uhr die Betriebsrechte von der Deutschen Reichsbahn. Diese stellte dann auf dem Streckenabschnitt Anhalter Bahnhof Frohnau den Betrieb ein. Angeblich war die angespannte Personallage schuld daran.

4. Die Zeit vom 01. Oktober 1984 bis zur Außerbetriebnahme 1986

 

Am 01. Oktober 1984 nahm die BVG nach starken Bürgerprostesten den Betrieb nach Frohnau wieder auf. [4] Das Stellwerk Wm besetzten nun Personale der BVG. Für die Bedienung des Stellwerks gab die BVG extra eine Bedienungsanweisung für die Stellwerk Wm, Wai und Foh heraus. Es gab bei der BVG außerhalb der S-Bahn zu diesem Zeitpunkt keine mechanischen Stellwerke mehr. Wegen der gesteigerten Verkehrsbedeutung dieser Strecke war der zweigleisige Ausbau bis Frohnau vorrangiges Ziel des Berliner Senats. Im November 1985 wurde in Wilhelmsruh eine Bauweiche für den Aufbau des zweiten Gleises eingebaut. Für den endgültigen Ausbau wurde ab 05. Mai 1986 zwischen Wittenau und Frohnau gesperrt. Der Bahnhof Wittenau wurde ab 18. August 1986 im 10-Minuten-Takt bedient. Dazu wurde im Stellwerk Wm ein Stichstreckenblock eingerichtet. Im ehemaligen Endfeld von Waidmannslust war die Schlüsselfreigabe für das Baugleis ab Wittenau Nordbahn eingerichtet. Solange dieses Feld geblockt war, waren keine Zugfahrten nach Wittenau möglich. Im Dienstraum Wittenau befand sich das korrespondierende Blockfeld. War es entblockt, wurde der Schlüssel für die Baugleisbedienung freigegeben.

Mit der Aufnahme des zweigleisigen Betrieb am 22. Dezember 1986 ging das Stellwerk Wm außer Betrieb. Der Bahnhof Wilhelmsruh wurde betrieblich zu einem Haltepunkt abgestuft. Für die Regelung der Zugfahrten wurden bis Frohnau drei Blockstellen in Betrieb genommen. Eine davon war die Blockstelle Wm. Weitere Informationen zu den drei Blockstellen finden Sie hier.

Das Stellwerk Wm wurde als technisches Denkmal für die Nachwelt erhalten. Sie können sich das Stellwerk im Berliner U-Bahn Museum ansehen. Dieses Museum basiert ebenfalls auf einen Stellwerk. Das Stellwerk Olympiastadion der BVG war bei seiner Inbetriebnahme 1931 das größte Stellwerk seiner Bauart in Europa.

5. Zum Abschluß die Fotogalerie vom Stellwerk Wm

 

 

 

 Quellen und weitere Links

[1] Meyer-Kronthaler, Jürgen: Berlins S-Bahnhöfe-ein dreiviertel Jahrhundert be.bra Verlag 1998 Seite 245
[2]Bley, Peter: Berliner Nordbahn 125 Jahre Eisenbahn Berlin - Neustrelitz - Stralsund, Verlag B. Neddermeyer 2002 Seite 66
[3] BVG: Vorläufige Bedienungsanleitung in den Stellwerken Wm, Wai und Foh vom 01. Oktober 1984
[4] Berliner Verkehrsblätter 11/84 Seite 265