
- Von der Namenlosigkeit zur Vielfältigkeit: Stellwerke und ihre Bezeichnungen
- Alles ist geregelt - auch die Grundlagen von Stellwerksbezeichnungen
- Die Geschichte der Stellwerksbezeichnungen von Leonhard Grunwald
- Das Zeichen für den aufmerksamen Bremser
- Einige Abkürzungen, bei denen selbst der Experte um die Ecke denken muss
- Quellen und Links
1. Von der Namenlosigkeit zur Vielfältigkeit: Stellwerke und ihre Bezeichnungen
Autoren dieses Beitrags: Leonhard Grunwald und Lars Molzberger
Anmerkung: Zum Lesen der Bilderläuterungen bitte mit der Maus über das Bild fahren.
Zum ersten Mal in der Geschichte der Webseiten wird ein Beitrag maßgeblich nicht von mir, sondern von einem Experten für Stellwerksbezeichnungen gestaltet. Herr Leonhard Grunwald hat sich ausführlich mit den Stellwerksbezeichnungen, Preußischen Normschriften, Zulieferern von Schildern beschäftigt. Lesen Sie nun über ein Thema, das manchmal verwirrend sein kann, aber alles ist logisch.
Stellwerke und ihre Bezeichnungen sind ein interessantes und wenig betrachtetes Kapitel der Eisenbahngeschichte. Anfangs gab es überhaupt keine Bezeichnungen dieser Hochbauten. In der 1880er Jahren tauchten die Bezeichnungen wie „Central-Weichenthürme“ in den Plänen auf. Mit der Expansion der Bahnhöfe nahm auch die Anzahl der Stellwerke zu. Durch die begrenzte Reichweite der mechanischen Stellwerke und der ebenfalls begrenzten Sichtweiten bei der Fahrwegprüfung waren bei größeren Bahnhöfen zwei und mehr Stellwerke erforderlich.
Die Vielfalt der Stellwerke zwang zur eindeutigen Bezeichnung derselben. Mitte der 1880er Jahre war es bei den Preußisch-Hessischen Staatsbahnen üblich, in der Nähe befindliche markante Örtlichkeiten zur Benennung der Stellwerke heranzuziehen. Im Anhalter Bahnhof hießen die Stellwerke z.B. HU nach dem Halleschen Ufer und YS nach der Yorckstraße, an der das Stellwerk stand. Im süddeutschen Raum setzte sich die Bezeichnung nach Zahlen durch, häufig mit dem vorangestellten Stellwerk, Stw oder in Sachsen Stellerei mit einer in Richtung der Streckenkilometrierung aufsteigenden Zahl versehen, also Stellwerk 1, Stw 2, Stellerei 3. Manchmal waren wie in Karlsruhe nur Zahlen an den Stellwerken angebracht. Anfangs mit römischen, später überwiegend mit arabischen Ziffern.
1920 entstand aus den Deutschen Länderbahnen die Deutsche Reichsbahn. Die telegrafische Kurzbezeichnung nach Preußischem Vorbild setzte sich bei Neuanlagen formell reichsweit durch. Die Betonung liegt auf „formell". Als 1930 in Garmisch Partenkirchen neue Stellwerke in Betrieb gingen, erhielten sie die regionaltypischen Bezeichnungen Stellwerk 1 und Stellwerk 2. An den bestehenden Bezeichnungen wurden nur bei Umbauten Änderungen vorgenommen. Ende der 1930er Jahre erhielten einige zu Befehlsstellwerken umgebaute oder neugebaute Stellwerke hinter der vorhandenen telegrafischen Bezeichnung das „f“ für Fahrdienstleiter ergänzt. Ein Beispiel: Die 1938 in Betrieb gegangenen Stellwerke in Pirmasens Nord erhielten nach 1945 dieses Namensschema. Psf steht für Pirmasens Nord Fahrdienstleiter, Pss für Pirmasens Nord Süd. 1939 folgte Psn für Pirmasens Nord Nord. Pss und Psn waren Wärterstellwerke.
Nach dem Zweiten Weltkrieg setzte bei der Deutschen Bundesbahn ein Boom der Zentralstellwerke ein. Eine Ursache waren die kriegsbedingten Zerstörungen der Sicherungsanlagen. Die neue Dr-Technik steuerte auch ausgedehnte Bahnhofsanlagen mit nur einem Stellwerk. Man behielt das Schema Ortsbezeichnung und „f“ für Fahrdienstleiter bei, es gab ja meistens nur ein Stellwerk. Der Bahnhof Freilassing z.B. wird vom Stellwerk Ff gesteuert, Freilassing Fahrdienstleiter.
Die Deutsche Reichsbahn der DDR setzte ab Mitte der 1950er Jahre auf das aus dem süddeutschen Raum bewährte Zahlensystem mit arabischen Zahlen in Richtung der Streckenkilometrierung. Lag das Wärterstellwerk bei km 20, das Befehlsstellwerk bei km 20.7, erhielt das Wärterstellwerk die Bezeichnung W1 und das Befehlsstellwerk die Bezeichnung B2. Aber auch hier war man nicht durchgängig konsequent. Die Stellwerke am Berliner Außenring erhielten telegrafische Bezeichnungen: Das Stellwerk des Bahnhofs Hohen Neuendorf West hört auf How und das Stellwerk des Bahnhofs Schönfließ heißt Sfl.
2. Alles ist geregelt - auch die Grundlagen von Stellwerksbezeichnungen
Natürlich sind die Grundlagen auch hier genauestens festgelegt. Und zwar in der „Anweisung für das Entwerfen von Eisenbahnstationen unter besonderer Berücksichtigung der Stellwerke“. In der Ausgabe von 1905 ist unter dem Paragraphen 42 folgendes zu lesen:
„Jeder Bezirk erhält eine Buchstabenbezeichnung. Bei Befehlsstellwerken entspricht sie dem telegraphischen Rufzeichen der Station. Wo Station und Befehlsstellwerk verschiedene Rufzeichen haben, erhält das Befehlsstellwerk die Bezeichnung seines eigenen Rufzeichens. Die übrigen Stellwerke werden in der Regel bezeichnet mit dem ersten Buchstaben vom telegraphischen Rufzeichen der Station und einem zweiten oder dritten Buchstaben, der die Lage oder Bedeutung des Stellwerks kennzeichnet, z B Gw = Großheringen-West, Bot = Breslau Ostturm, Mg = Münster Güterschuppen.“
In der DDR verankerte man die Bezeichnungen der Stellwerke in die TGL-Norm. TGL steht für Technische Normen, Gütevorschriften und Lieferbedingungen, die von 1955 bis 1990 das Pendant zur westdeutschen DIN-Norm waren.
In der TGL 174-15 Eisenbahnsicherungstechnik, Symbole für Lagepläne heißt es:
Obwohl die TGL-Norm im Gegensatz zur DIN-Norm Gesetzescharakter aufwies, gab es auch nach der gesetzten Verbindlichkeit ab dem 01. Februar 1965 Ausnahmen von der Regel: Das 1980 in Betrieb gegangene Zentralstellwerk des Rangierbahnhofs Seddin heißt wie zu alten Preußischen Zeiten und ohne Anspielung auf die politischen Realitäten der DDR Sed für Seddin. Spötter behaupten, dass Sed in Wirklichkeit „Selten eine Durchfahrt“ heißt.
3. Die Geschichte der Stellwerksbezeichnungen von Leonhard Grunwald
Die umfangreiche Expansion der Eisenbahninfrastruktur Ende des 19. Jahrhunderts brachte unzählige neue Stellwerksbauten hervor. Nicht nur im Berliner Raum entstanden pro Bahnhof mindestens zwei, oft aber mehrere Gebäude für die Bedienung von Signalen, Weichen, Riegeln und Gleissperren. Bereits in jener Zeit wurde bei diesen betriebstechnischen Gebäuden unterschieden zwischen Stellwerkstürmen und Stellwerksbuden.
Erstere besaßen einen Stellraumboden über 2 Meter oberhalb der Schienenoberkante; eine andere Unterscheidung sprach davon, dass die nötigen Spannwerkseinrichtungen noch zwischen Stellraumboden und Schienenoberkante errichtbar seien. Unabhängig von dieser Unterteilung gab es bereits früh eine Art Bezeichnung für diese Stellwerkstypen.
Sie richtete sich, wie später auch, nach der topographischen bzw. örtlichen Begebenheit, die der betreffende Bau mit sich brachte. So entstanden bis Anfang des 20. Jahrhunderts Bezeichnungen wie „Anfangsturm/At“, „Endturm/Et“, „Mittelbude/Mb“ oder „Südturm/Stm“, „Ostbude/Obd“ oder „Westturm/Wtm“ etc. Diese Bezeichnungen wurden mit schwarzer Schrift auf weißer Grundfläche (meist mit schwarzer Umrandung) als Farbfläche auf dem Gebäude aufgebracht. Erst im 20. Jahrhundert ging man einen anderen Weg. Man kann sich vorstellen, dass unzählige Bahnhöfe in Preußen mannigfaltige Stellwerke mit der gleichen Bezeichnung vorzuweisen hatten. Die Lösung war, zumindest regional, eine Benennung, die nun die telegrafischen Kürzel des Bahnhofs aufwies. Typisches Beispiel sind die Gebäude der Kremmener Bahn zu nennen, die 1905 zunächst Farbbezeichnungen verwendeten: Tga, Tgl, Tnb, Tsb. Hier ist zumindest eine Zuordnung zur entsprechenden Betriebsstelle erkennbar. Auch im Rbf Grunewald kamen diese Änderungen beispielsweise zum Tragen (Obd wurde Gdo, Wtm wurde Gdr, etc.)
Grundsätzlich fand eine Definition Gültigkeit, die auch die betriebliche Bedeutung des Stellwerks hervorbrachte: Befehls-, oder Fahrdienstleiterstellwerke erhielten das Bezeichnungskürzel der Dienststelle (z.B. Zoo), Wärterstellwerke den Anfangsbuchstaben kombiniert mit der topographischen Lage (Nord, Süd, West, Ost) und die anderen wurden als Rangierstellwerke bezeichnet (Rst oder R), bei denen der Anzahl nach durchnummeriert wurde. Gab es mehrere Befehlsstellwerke, wurden wieder örtliche Begebenheiten zur Namensgebung verwendet.
Bereits Ende des 19. Jahrhunderts (ab 1895) hatte man sich bei der KPEV dazu entschlossen, eine neue Schriftform mit für jeden Buchstaben verwendbaren Geraden und Bögen zu kreieren, um die unzähligen Güterwagenbauformen mit einer Schablonenschrift kennzeichnen zu können. Es entstanden die einheitlichen Buchstaben im Höhen-/Breitenverhältnis 7 : 3.
Aus dieser preußischen Normschrift entwickelte sich über die nächsten Jahrzehnte die noch heute bekannte „Fette Engschrift“, DIN 1451. So entstand ab 1895 eine typisierte Schrift, die in anschließenden Berichtigungen schließlich zu der „Schrift nach preußischer Musterzeichnung IV 44 3. Ausgabe 1908“ führte. Zusätzlich existierten bis 1910 die „Vorschriften zur Behandlung von Aufschriften auf Bahngegenständen mit Ausnahme der Fahrzeuge“ für z.B. Stationsbezeichnungen. Ab etwa 1910 war die Musterzeichnung IV 44 hierfür ebenso verbindlich.
Tausende Kilometer Straße und Autobahn sind in Deutschland und Österreich noch heute mit der verwandten „Fetten Mittelschrift“ auf allen Hinweisschildern beschriftet. Die Fette Engschrift sollte sich ab etwa 1910 auch bei der Beschriftung von Bezeichnungs-, Hinweis-, Orientierungs-, Verbots- und Gebotsschildern durchsetzen. Es handelt sich hierbei um eine sogenannte „Groteskschrift“, d.h. alle früher verwendeten Zierelemente der Buchstaben entfielen, alle Buchstaben bauten aufeinander auf; eine rein schablonierbare Schrift war entstanden. 1910 ist auch in etwa das Datum, als sich bei den beiden größten existierenden Emaillierwerken die Bestellung durch die KPEV häuften. Es handelt sich um das Emaillierwerk „Schulze & Wehrmann, Elberfeld“ (1893) und das „Emaillierwerk Gottfried Dichanz, Berlin SO 36“ (1895). Nun war das emaillierte Blech der 'letzte Schrei' bei den Bezeichnungen, egal ob Stellwerk, Stationen oder bei unzähligen anderen Bedarfsfällen bei der Bahn (auch bei Reklameschildern hielten die „Emailplakate“ in den Straßen der Stadt Einzug).
Im Zeitraum 1910 bis 1920 wurden hunderttausende Schilder für die Bahn (nicht nur die preußische) hergestellt und das war erst der Anfang. Zu Beginn beachteten die fertigenden Emailleschildproduzenten die neue Schablonierschrift nicht; sie wurden noch in Form der früheren Farbmarkierungen hergestellt. Ab etwa 1920 war die preußische Normschrift schließlich überall Standard.
1924 kam noch das „Emaillierwerk Hannover-Mellendorf“ als bedeutendes Emaillierwerk für den Eisenbahnbedarf hinzu (als Emaillierwerk Hannover KG und später Emaillierwerk Hannover 'EMH' später wichtigstes Zuliefererwerk der Bundesbahn). Ein weiteres Berliner Emaillierwerk war die Firma „Frölich & Petersen, Pankow“, später dann „N.A.Petersen, Pankow“, dass z.B. für das Steglitzer Stellwerk „Sob“ und das Stellwerk „Bsw“ in Baumschulenweg Schilder lieferte. Wie man es von Preußen nicht anders kennt, sollte die „Balkenschrift“, wie die „Preußische Normschrift“ auch genannt wird, das Maß aller Dinge werden. Als Beispiel für verwendete Emailschilder als Ersatz für Farbanschriften sind die Stellwerke „Tegeler Gabelung, Tga“ oder „Tegel, Tgl“ zu nennen. Über die alte Farbbezeichnung (1905), die noch nicht der Preußischen Normschrift entsprach, wurden Emailschilder mit der neuen Schrift angebracht. Hier wurden die recht großen Farbanschriften in den 20er Jahren mit ebenso großen Emailschildern (135 x 90 cm, 14 Befestigungsbohrungen!) überdeckt.
Stellwerke erhielten ab etwa 1913 nun generell attraktive Beschilderungen, stark bombiert (gewölbt) in der neuen Formschrift. Ein Beispiel soll der Bahnhof Marienfelde sein; hier erhielten die beiden neu benannten Stellwerke geänderte Namen nach der nun gültigen Vorgehensweise: Mf (Fdl) und Msb (Ww) im Jahre 1914. Stark gewölbte Schilder in preußischer Normschrift wurden statt der nicht mehr aktuellen Bezeichnung angebaut.
Viele weitere Beispiele aus den ersten zwanzig Jahren des 20. Jahrhunderts gibt es zu nennen, nur als weitere Beispiele: Füb (Siemensstadt-Fürstenbrunn), Kh (Karlshorst), Friedrichshagen (Frh), Tmb (Tempelhof Mittelbude), Lwt (Lichterfelde West Westturm) Ws (Wannsee). Beim letzteren allerdings ist das Stellwerk von 1891 gemeint, hier erhielt das alte Stellwerk seine Beschilderung wohl zur Eröffnung der Friedhofsbahn 1913 und gab seine Schilder wahrscheinlich 1928 an seinen Brademann-Nachfolger ab.
Die „Preußische Normschrift“ erfasste in der Folgezeit alle Schilder, die die Preußische Staatsbahn für ihre Anlagen bestellte. Die nächste Änderung erfolgte im Rahmen der 20er Jahre. Hier gilt in Erinnerung zu rufen, dass die „Große Elektrifizierung“ der Berliner S-Bahn in Gange war, ein unglaublicher Modernitätsschub jener Jahre. Auch die Mode der Emailleschilder änderte sich hier. Man ging ab von den bombierten Schildern und fertigte sie in aller Regel flach. Als Beispiel kann das Stellwerk „Ntm“ stehen, das noch seine alte Bezeichnung, aber bereits zwei Emailschilder nach der neuen Norm erhalten hat. Andere Beispiele jener Zeit sind „Chab“ (1927) und „Zoo“ (1935).
Letzteres Stellwerk fiel bereits in eine völlig andere Zeit, die wieder eine charakteristische Änderung hervorbrachte. Die Nazis hatten nur kurz nach der Machtübernahme Typographen beauftragt, eine „deutsche Schrift“ zu entwickeln, die dem Zeitgeist jener Jahre entsprechen sollte. Wieder wurde eine Groteskschrift durch namhafte Künstler dieser Zeit entwickelt, die heute als „Gebrochene Grotesk“ oder aber „Schlichte Gotisch“ bezeichnet wird. Schriften wie „Deutschmeister“, „Element“ oder „Tannenberg“ entstanden. Erneut wurde eine schnörkellose Schrift entwickelt, nur diesmal als Gotische und nicht als Antiqua-Schrift.
1936 wurde dieser Schrifttyp als Akzidenzschrift eingeführt. Die deutsche Bevölkerung sah sich in den kommenden fünf Jahren überall mit dieser Schrift konfrontiert. Stellwerke wie Zoo
Westturm (Zow) oder Ruhleben Ostturm (Ruo) wurden neu beschildert. Dabei darf man nie aus dem Auge verlieren, ob Stellwerke neu erbaut oder in jener Zeit nur neu bezeichnet wurden. Als ein schönes Beispiel sei hier das Stellwerk Spo genannt. Als Spandau Ostturm errichtet, wurde es 1932 durch das Dezernat 49 Richard Brademanns neu gebaut. Noch konnten die alten Schilder wiederverwendet werden. 1936 allerdings erhielt das Wärterstellwerk die Bezeichnung Ruo, da der Bahnhof in Gbf Berlin-Ruhleben umbenannt worden ist. Das Klinkersteingebäude bekam nun neue Schilder in Schlichter Gotisch. Viele Berliner Bahnhöfe bekamen aufgrund der Groß-Berliner Eingemeindung von 1920 bis 1938 neue Namen mit der Vorbezeichnung Berlin- und daher auch neue Stellwerksbezeichnungen.
Zum Beispiel das Wannseer Stellwerk Wot, das 1936 mit der neuen Bahnhofsbezeichnung Berlin-Wannsee Schilder in Schlichter Gotisch erhielt, zu diesem Zeitpunkt aber bereits 45 Jahre alt war. Oder das Stellwerk Wsk in Wannsee, das auf der einen Seite das gewölbte Schild des Vorgängerbaus von 1926 trug, auf der anderen Seite am neuen Anbau ein Schild in Schlichter Gotisch von 1937 (viergleisiger Ausbau Ws – Gd). Der Berliner Nordsüd-S-Bahn-Tunnel zeigt eine interessante Form dieser Bezeichnungen: Von Humboldthain bis Unter den Linden die Element-Schrift (1935/36), Potsdamer Platz bis Anhalter Bf Tannenberg-Schrift (1939).
Der S-Bahnhof Sundgauer Straße erhielt 1934 eine frühe Form der Schlichten Gotisch, der erste Berliner Bahnhof dieser Schriftform, völlig einzigartig. Die Nazis selbst schafften 1941 die Schlichte Gotisch wieder ab, da sie sie in den eroberten Gebieten als nicht vorteilhaft erachteten (so wurden 1943 die Stationsbezeichnungen des neuen S-Bahnhofs Lichterfelde Süd wieder in Preußischer Normschrift gefertigt). In Berlin gab es viele Stellwerksbezeichnungen in Schlichter Gotisch, doch noch viel mehr Stationsbezeichnungen. Zu DDR-Zeiten kamen ebenfalls Bezeichnungsschilder an Berliner Stellwerke. Diese waren abgekantet mit seitlich schwarzem Rand. Die Stellwerke Gdo, Gdn erhielten solche Schilder, aber auch z.B. R 5 in Schöneweide oder zusätzliche Schilder an alten Gebäuden). Ferner verwendete die DR der Einfachheit halber gerne die Befehlstellwerke mit dem Buchstaben B und die Wärterstellwerke mit W (bei mehreren Stellwerken jeweils durchnummeriert).
Solche Bezeichnungen sind ausnahmslos im ehemaligen Ost-Berlin zu finden.
Zusammenfassend bleibt (in etwa):
1910 – 1920: Bombierte (gewölbte) Schilder, Balkenschrift
1920 – 1935: Flache Schilder, Balkenschrift
1936 – 1942: Flache Schilder, Schlichte Gotisch
1970 – 1989: Abgekantete Schilder DIN 1451-Ost DDR
Hiermit sind auch alle für Emailleschilder verwendeten Fertigungsarten genannt.
Hersteller:
Emaillierwerk Schulze & Wehrmann, Elberfeld (veränderte Signatur ab 1920, ab 1930: Wuppertal-Elberfeld) ab 1893
Emaillierwerk Gottfried Dichanz, Berlin S.O.33 (ab 1936: S.O.36) ab 1895
Emaillierwerk Hannover-Mellendorf (später Emaillierwerk Hannover)ab 1924
Frölich & Petersen, Berlin-Pankow (später N.A. Petersen) ab 1915
In der Nachkriegszeit verblieben die vielen merkwürdigen Buchstabenkürzel an den Berliner Stellwerken.
Unbedarfte lasen sie und wussten nichts damit anzufangen. Andere kannten sie und rätselten ob ihrer Bedeutung, und Ausnahmen bestätigen wie immer die Regel.
4. Das Zeichen für den aufmerksamen Bremser
Siehe auch diesen Beitrag auf Berliner Stellwerke.de
Noch heute sieht die/der aufmerksame Betrachterin/Betrachter an Stellwerken in Berliner Raum eine weitere Bezeichnung, teils verwittert, teils in das Mauerwerk eingelassen: Ein auf der Spitze stehendes weißes Quadrat. Diese Bezeichnung gab es nur im Bereich der Preußisch-Hessischen Staatsbahnen von 1918 bis 1929.
1918 waren noch nicht alle Züge durchgehend luftgebremst sondern durch Bremser gebremst. Der Bremser war einer der unattraktivsten Berufe bei der Eisenbahn. In einer Bretterbude hoch über dem Wagendach war der Bremser den Wetterbedingungen direkt ausgesetzt. Im Sommer traf ihn fast der Hitzschlag, im Winter erfror er fast in der zugigen Bretterbude. Dazu kam noch das Schaukeln des Wagenverbandes. Irgendwann passiert das unvermeidliche: der arme Mensch schläft ein. Er wird, wie es in den Verlautbarungen der Eisenbahndirektionen diplomatisch hieß, unaufmerksam. Die Gefahr für die Betriebssicherheit ist offenkundig: Ein oder mehrere eingeschlafene Bremser sind eine oder mehrere ausgefallene Bremsen. 1918 – also mitten im Ersten Weltkrieg – müssen wohl diese betriebsgefährdenden Vorfälle zugenommen haben. Die Eisenbahn war ein, vielleicht sogar der, kriegswichtige(r) Verkehrsträger. Unfälle die zur Zerstörung von Rüstungsgüter führten oder gar das Leben der Soldaten gefährdeten, konnten nicht hingenommen werden. Schließlich muss der Soldat noch bis zum Fronteinsatz am Leben bleiben. Die Königliche Eisenbahndirektion Berlin äußerte sich im Amtsblatt wie folgt[1]:
Der letzte Satz des dritten Absatzes bringt es auf dem Punkt: „Eine besondere Kennzeichnung dieser Gebäude an den Stirnseiten ist außerdem in Aussicht genommen.“ Am 27. September 1919 schreibt das Reichsverkehrsministerium in seinem Erlass[2] : „Die Bezeichnung der Befehlsstellwerke an beiden Stirnseiten mit auf der Spitze stehendem Quadrat aus weißer Ölfarbe zur leichteren Erkennung für die Bremser hat sich gut bewährt. Diese Bezeichnung ist daher auf den Hauptstrecken allgemein einzuführen.“
Der Oberbaurat Karl Breusing beschreibt 1925 im Eisenbahnbetriebshandbuch2 den § 45(4) der Fahrdienstvorschrift:
Und kommentiert den o.g. Paragraphen wie folgt:
1925 war der „militärische Gruß“ noch nicht wieder in Mode. Das hatte noch Zeit bis zum Jahr 1933. Mit den „Gebäuden“ waren auch die Diensträume der Aufsichten gemeint. Aufsichten und Fahrdienstleiter waren zu diesem Zeitpunkt administrativ gleichgestellt. Mitte der 1920er Jahre nahmen die mit Bremsern gebremsten Züge immer mehr ab. Die durchgängige Druckluftbremse setze sich immer mehr als Standard durch. 1923 führte die Deutsche Reichsbahn mit geänderter Eisenbahnsignalordnung das neue Signal 41 Halt für Teilfahrten oder zurückkommende Schiebelokomotiven. Die alte Preußische Form sah der Gebäudekennzeichnung zum Verwechseln ähnlich. Um Mißverständnisse durch Verwechseln der Signale vorzubeugen, hob die Hauptverwaltung der Deutschen Reichsbahn Gesellschaft mit Verfügung vom 29. Juli 1929 die Kennzeichnung von Stellwerken und Gebäuden auf[4]:
Die Anordnung, die Zeichen zu entfernen, wurde nur unvollkommen umgesetzt. Noch heute kann man die Zeichen an manchen Stellwerken erkennen. Und diese Stellwerke waren bis in jüngster Zeit in Betrieb. Das Stellwerk Abwt z.B. bis 1985.
5. Einige Abkürzungen, bei denen selbst der Experte um die Ecke denken muss
Hier Beispiele für telegrafische Abkürzungen an Stellwerken, die ein bisschen quer denken erfordern:
1. Vrf
Das Stellwerk Vrf stand bis ca. 1961 am km 1,8 der Görlitzer Bahn direkt an der Elsenstraße. Die Abzweigstelle Vrf stellte die Verbindung von der Görlitzer- zur Ringbahn und umgekehrt her. Aber was heißt „rf“? Das „v“ für Verbindung geht klar, aber „r“ für Ring? Und das „f“? Es ist keine Örtlichkeit in der Nähe, die das „f“ rechtfertigen würde. Die nächsten Bahnhöfe hören auf Neukölln wie Neukölln-Treptow (ab 1938 Treptow Gbf) und Neukölln Gbf. Aber genau das war der Weg zur Lösung. Wie hieß Neukölln bis 1912? Richtig, Rixdorf. Die Verbindung nach Rixdorf war die Lösung.
2. Tpa und Tsa
Die Stellwerke Tpa und Tsa gehörten zum Rangierbahnhof Tempelhof Rbf. Tpa war neben den Einfahrten in die Nord-Süd-Rangiergruppe von Anhalter Bahnhof und vom Ring auch für die Verzweigung der Anhalter- und Dresdener Bahn zuständig. Am Stellwerk Tpa konnten die Züge dank Schnellfahrweichen die Strecke wechseln. Tempelhof Abzweig passt hier nicht ganz, denn Tsa hatte auch das „a“ in der Bezeichnung. Beide Stellwerke waren keine Betriebsstellen der freien Strecke. Tpa steht für Tempelhof Papestraße und Tsa für Tempelhof Sachsendamm. Beide Stellwerke standen an der namensgebenden Straße.
3. Spa
In alten Plänen des Bahnhofs Spandau taucht diese Abkürzung auf. Man könnte meinen, das Spa Spandau Abzweig heißen würde. Nein, dem ist nicht so. Es gab von 1891 bis 1914 auf dem Güterbahnhof Ruhleben, der bis 1938 Spandau hieß, einen Auswandererbahnhof. Von hier aus wollten europamüde Menschen ihr Glück über Hamburg und Cuxhaven in der Neuen Welt versuchen. Das Stellwerk des Bahnhofs hieß dementsprechend Spandau Auswandererbahnhof. Obwohl der Bahnhof 1914 geschlossen und das Stellwerk damit entbehrlich wurde, überstand der Hochbau die Zeiten bis zum Abriss im November 1967. Es erhielt sogar noch 1938 den neuen Namen Rua für Ruhleben Auswandererbahnhof.
Das Stellwerk Spa auf einem Plan aus dem Jahr 1927. Archiv Berliner-Stellwerke.de
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