
Inhaltsverzeichnis[Verbergen]- Der innere und äußere Anschluss der Görlitzer Bahn
- Sechsgleisig über die Spree. Das Stellwerk Tnt entsteht
- Immer in eine Richtung: Die Betriebsdurchführung bei Tnt und Tw
- Notkehre für den selbst herbeigeführten Bombenkrieg
- Vom Mauerbau 1961 bis zum ESTW 2012
- Von der Görlitzer- zur Ringbahn: Die Abzweigstelle Vtw
- Und wie immer zum Ende: die Fotogalerie
- Quellen und Links
- Der innere und äußere Anschluss der Görlitzer Bahn
- Sechsgleisig über die Spree. Das Stellwerk Tnt entsteht
- Immer in eine Richtung: Die Betriebsdurchführung bei Tnt und Tw
- Notkehre für den selbst herbeigeführten Bombenkrieg
- Vom Mauerbau 1961 bis zum ESTW 2012
- Von der Görlitzer- zur Ringbahn: Die Abzweigstelle Vtw
- Und wie immer zum Ende: die Fotogalerie
- Quellen und Links
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Inbetriebnahme: 1910 Tw, 1921 Tnt |
Nachbarbetriebsstellen: Vsr, Twg, Oks, Okn, Vtw |
Außerbetriebnahme: 22. Juni 1988 Tnt, 14. April 2012 Tw |
Architekt: unbekannt |
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Unter der Objektnummer 09095001 der Landesdenkmalliste Berlins steht Tnt unter Denkmalschutz | Telegraphische Abkürzung: Tw für Treptow, Tnt für Treptow Nordturm |
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Lage im Streckennetz: Tnt Kilometer 14,0 und Tw Kilometer 14,6 der Berliner Ringbahn | ||
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Bauform: VES/Siemens & Halske 1912 |
Tw bei IB Siemens & Halske 1907. Ab 1982 Umbau auf WSSB Bauform GS II |
Felderblock Fernbahn, 1939 Sv-Automatik S-Bahn, ab 1984 AB70 auf S-Bahn |
Kein Bahnhofsblock, weil Richtungsbetrieb, aber Streckenblock auf Fernbahn zwischen Tw und Tnt. |
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Tw Stand 1947
11 Weichen 5 Fahrstraßensignalhebel 2 Umleithebel
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Tnt Stand 1938
4 Weichen 4 Fahrstraßensignalhebel 21 Umleithebel |
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Zum Titelfoto: Eine wunderschöne Morgenstimmung am Stellwerk Tnt. Foto 19. Mai 2017 von Lars Molzberger. |
1. Der innere und äußere Anschluss der Görlitzer Bahn
Mitte des 19. Jahrhunderts entstand aus vorwiegen militärischen Erfordernissen eine Verbindungsbahn, die die Bahnhöfe Stettiner-, Hamburger-, Potsdamer-, Anhalter- und den Niederschlesisch-Märkischen Bahnhof miteinander verband. Die 10,5 km lange Strecke nahm am 15. Oktober 1851 ihren Betrieb auf. Die eingleisige, auf Straßenniveau geführte Strecke erwies sich bald als Hindernis im Stadtbild des damaligen Berlins. So gab es Ende der 1850er Jahre Überlegungen, eine neue Verbindungsbahn weit außerhalb des Stadtgebiets von Berlin zu bauen, die niveaufrei auf eigener Trasse geführt wurde. Sie sollte erst dem Güterverkehr zwischen allen Berliner Bahnhöfen dienen, später auch dem Personenverkehr. Diese neue Verbindungsbahn ist heute als Berliner Ringbahn bekannt und wurde am 17. Juli 1871 von Moabit bis Schöneberg, am 15. November 1877 von Schöneberg bis Moabit eröffnet. Da die Ringbahn den Anspruch erhob, alle Bahnhöfe miteinander zu verbinden, erhielt mit der Betriebsaufnahme des ersten Abschnitts der Ringbahn die Görlitzer Bahn ihren inneren Anschluss über die Abzweigstelle (damals Signalstation genannt) Vgb (Verbindung Görlitzer Bahn), die sich am Kiefholzweg (heute Kiefholzstraße) befand.
Rund acht Jahre später, am 6. November 1885, folgte der äußere Anschluss der Görlitzer Bahn an die Ring- und Stadtbahn. Die knapp 700 m lange Strecke verließ bei Vtw (Verbindung Treptow) an der Karpfenteichstraße die Görlitzer Bahn und mündete an der heutigen Straße Am Treptower Park bei Vga (Verbindung Grünau) in die Ringbahn ein. Das Stellwerk Vga war der Vorgänger des heutigen Stellwerks Tw.
Das Stellwerk Vga spielte im Jahr 1896 noch eine andere betriebliche Rolle: Für die Gewerbeausstellung, die vom 1. Mai bis 15. Oktober 1896 auf dem Gelände des heutigen Sowjetischen Ehrenmals stattfand, wurde vom Stellwerk Vga aus eine zweigleisige Verbindung zum Bahnhof der Gewerbeausstellung hergestellt, die nur für die fünf Monate existierte. Ein Beispiel dafür, welcher verkehrlichen Bedeutung man der Eisenbahn zu dieser Zeit beimaß.
Die Abzweigstelle Vga unterlag zwischen 1885 und 1910 mehreren Veränderungen der Infrastruktur.
- In der ersten Ausbaustufe zweigten die Vorortgleise nach Grünau von den Ringbahngleisen ab.
- In der zweiten Ausbaustufe gegen 1907 zweigten die Gütergleise Richtung Grünau zweigleisig von den Ringgütergleisen ab.
- In der letzten Ausbaustufe wurden die Vorortgleise nach und von Grünau niveaufrei bis zu den Bahnsteigen eingeführt. Vga hatte nur noch den Abzweig der Ferngleise.
Die Umstrukturierung zu Punkt 3 ergab sich aus betrieblichen Zwängen. Die niveaugleiche Abzweigung der Vorortgleise bei Vga erschwerte einen flüssigen Betriebsablauf und das Einlegen von zusätzlichen Zügen auf dem Südring, die zwischen Stralau-Rummelsburg und Rixdorf (seit 27. Januar 1912 Neukölln) oft überfüllt waren. Für diese Umstrukturierung wurde das alte Stellwerk Vga aufgegeben und ca. 1910 ein neues Gebäude mit der Bezeichnung Tst (Treptow Südturm) in Betrieb genommen. Tst war nur noch Abzweigstelle auf der Fernbahn. Die Gleise von und nach Grünau vereinigten sich jetzt nördlich der Bahnsteige kurz vor den Spreebrücken, gesteuert vom neuen Stellwerk Twb (Treptow Bahnsteigbude), das sich auf dem Bahnsteig B befand.
2. Sechsgleisig über die Spree. Das Stellwerk Tnt entsteht
Doch auch die neue Infrastruktur geriet bald an ihre Grenzen. Der Abschnitt Stralau-Rummelsburg (Ostkreuz)—Rixdorf (Neukölln) war besonders belastet. In Hinblick auf die Elektrisierung des Vorortverkehrs und die Erhöhung der Streckenkapazität auf bis zu 34 Züge je Richtung und Stunde war das zweigleisige Nadelöhr zwischen Treptow und Stralau-Rummelsburg ein Betriebshindernis. Ein halbes Jahr vor dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges beantragte die KED Berlin die Herstellung eines dritten Gleispaares. Die Arbeiten wurden genehmigt und auch während der Kriegsdauer ausgeführt. Neu war, dass die Verbindung zur Stadtbahn bei Stralau-Rummelsburg aufgegeben wurde und stattdessen nördlich der Spreebrücken eine neue Weichenverbindung entstand, die vom neuen Stellwerk Tw (Treptow) aus gesteuert wurde. Von hier aus sollten die von Tempelhof Ring kommenden Markthallenzüge direkt auf die Stadtbahn Richtung Alexanderplatz übergehen. Zuvor mussten die Züge den Umweg über Rummelsburg machen. Der sechsgleisige Ausbau konnte erst nach Kriegsende fertig gestellt werden. Neben der größeren Priorität der Rüstungsfertigung kam erschwerend hinzu, dass der bereits fertiggestellte Brückenüberbau auf Drängen des Militärs für Kriegszwecke abgegeben werden musste.[1]
Auch das Stellwerk Tw – das spätere Tnt – konnte jetzt fertig gestellt werden und im Oktober 1921 in Betrieb gehen. Allein sein Bau verursachte wegen der tiefen Gründung und seines hohen Unterbaus Baukosten in Höhe von 20000 Mark.[2] Bemerkenswert ist aber, dass die 1921 in Betrieb genommene Weichenverbindung von den Ferngleisen zur Stadtbahn für die Markthallenzüge bereits 1931 wieder rückgebaut wurde. Gab es keinen Verkehrsbedarf mehr für diesen Zuglauf?
3. Immer in eine Richtung: Die Betriebsdurchführung bei Tnt und Tw
Die Infrastruktur war von vornherein auf Richtungsbetrieb ausgelegt. Die Gleise von der Stadtbahn (vom Stellwerk Vsr Verbindung Stadtbahn Ringbahn) aus kommend schwenkten rund 500 m vor dem Stellwerk Tnt niveaufrei zwischen die beiden Ringbahngleise ein. Das heißt, dass die Gleise 1 und 4 im Bahnsteig Treptower Park zur Ringbahn gehörten und die Gleise 2 und 3 zur Stadtbahn. Der Betrieb von der Stadtbahn Richtung Grünau und umgekehrt sowie der Betrieb auf der Ringbahn berührten sich nicht. Daher war im Regelfall der Durchleitbetrieb in beiden Stellwerken eingeschaltet. Ob es vor der Umstellung auf die Sv-Signaltechnik 1939 einen Selbststellbetrieb mit Formhauptsignalen in Tnt und Tw gab, muss offen bleiben. Einige Male am Tag musste der bequeme Durchleitbetrieb herausgenommen werden. 1935 z.B. sah der Fahrplan der Zuggruppe G den Zuglauf von Warschauer Straße über den Südring, Charlottenburg nach Lichtenberg bzw. Mahlsdorf und umgekehrt. Nachts fuhr ein Zug der Zuggruppe A vom Potsdamer Ringbahnhof über Nordring zum Schlesischen Bahnhof und von dort über den Südring zurück nach Tempelhof. Und am Sonntag fuhr ein Zug der Bedarfszuggruppe D IV von Grünau über Süd- und Nordring zurück nach Grünau.
Auf der Fernbahn waren die Aufgaben anders verteilt. Tnt erhielt für die Bedienung der Markthallen am Alexanderplatz extra eine Weichenverbindung von den Ringgütergleisen Richtung Vsr. Das war aber nur bis 1931 der Fall. Nach dem Rückbau der Verbindung war Tnt auf der Fernbahnseite bis zu seiner Außerbetriebnahme 1988 nur noch eine Blockstelle. Zwischen Tw und Tnt bestand Streckenblock. In Tw vereinigte sich die Strecke nach und von Vtw in die Ringbahn. Aus Richtung Treptow Gbf gab es eine Besonderheit: Aus dem Ausziehgleis des Güterbahnhofs konnten die Züge auf Signal O direkt auf dem Ring ausfahren. Im Stellwerksbezirk Twg gab es aus den Aufstellgleisen 10 bis 13 und den Ladegleisen 14 bis 18 keine Verbindung zu den durchgehenden Hauptgleisen. Die Züge zogen als Rangierfahrten aus diesen Gleisen in das Ausziehgleis und gingen in Tw in Zugfahrten über. Dadurch entfiel das aufwendige Umsetzen in Treptow Gbf.
4. Notkehre für den selbst herbeigeführten Bombenkrieg
Ab dem 16. Januar 1943 nahmen die Alliierten nach vorherigen vereinzelten Luftangriffen auf die damalige Reichshauptstadt Berlin die Luftangriffe wieder massiv auf. In der Rbd Berlin befürchteten die Verantwortlichen eine massive Behinderung des S-Bahnbetriebs, sollten wichtige Bereiche der Verkehrsinfrastruktur beschädigt oder zerstört werden. Insbesondere Brücken waren davon betroffen. Der Bahnhof Treptower Park war ganz besonders davon betroffen, besaß er doch keine Möglichkeit, Züge aus Richtung Grünau am Bahnsteig kehren zu können (sogenanntes Spitzkehren). Am 17. September 1943 verfügte die Reichsbahndirektion Berlin, eine Notkehre im Bahnhof Treptower Park einzurichten:
„Betrifft: Einbau von Notkehren auf der S-Bahn für Katastrophenfälle. (Bln-Treptower Park)
Bei der Annahme, daß bei erneuten Fliegerangriffen auf Berlin wichtige Brücken im Bahngebiet zerstört werden, sollen, um den S-Bahnbetrieb aufrecht erhalten zu können, in die Gleisanlagen der S-Bahn vor solchen Brücken Notkehren eingebaut werden, ohne dabei die Sicherungsanlagen wesentlich zu verändern.
Die Weichen der Notkehren sollen von Hand aus bedient und durch Weichenhandschlösser verschlossen werden. Die Schlüssel hierzu sind beim BA (Betriebsamt, Anmerkung LM) aufzubewahren.
Eine Benutzung der Notkehren ist nur für Katastrophenfälle vorgesehen. Alle übrigen Fälle scheiden aus.
Für den Vollring der Berliner S-Bahn ist der Einbau einer Notkehre vorgesehen, die im Bereich des BA 10 liegt. (Treptower Park)…[3]
Bereits am 2. Oktober 1943 lag die betreffende Betra Nr 1005 für den Einbau der beiden Weichen am 21. und 22. Oktober 1943 vor. Nur etwas über einen Monat nach der Bekanntgabe der Verfügung war die Notkehre betriebsbereit. Ein Beispiel dafür, dass Bauvorhaben bei Einstufung zur Kriegswichtigkeit zügig abgewickelt werden konnten.
Die sicherungstechnische Abhängigkeit mit dem Hebelwerk Tw wurde durch ein Steigerschloß realisiert. Die Verfahrensweise beim Notkehrbetrieb beschreibt die folgende Erläuterung vom 15. November 1943:
Betrifft Notkehre S-Bahn, Stellwerk Tw Bf Treptower Park
Zur Erhöhung der Betriebssicherheit bei Benutzung der Notkehre auf der Grünauer S-Bahnstrecke beim Bf Treptower Park ist es zweckmäßig, die dortigen Sicherungsanlagen folgendermaßen zu gestalten.
Die handgestellten Weichen 13 und 14 sind durch Weichenhandschlösser für den Regelbetrieb in der Plusstellung und für den Notbetrieb in der Minusstellung zu verschließen. Die Abhängigkeiten zwischen den Weichenhandschlössern und den in Frage kommenden selbsttätigen oder halbselbsttätigen Signalen müssen wie folgt getroffen werden.
Im Stellwerk Tw ist im elektrischen Hebelwerk für die Weichen 13 und 14 ein Weichenhebel mit zwei Achskontakten einzubauen. Über dem Weichenhebel ist ein Steigersches Schloß anzuordnen, in dem der Plus-Schlüssel der Weiche 14 gesteckt wird. Beim Umlegen des Weichenhebels 13/14 wird der Schlüssel im Schloß festgelegt, während er bei Mittelstellung des Schlosses frei wird.
Soll nun im Regelbetrieb ein Zug vom Bf Treptower Park auf Signal 5131 oder 3102 in Richtung Grünau ausfahren, so ist der Weichenhebel 13/14 nach rechts umzulegen. Durch Umlegen des jeweils nötigen Ausfahrsignalhebels 5131 oder 3102 wird der Weichenhebel 13/14 gegen Zurücklegen in die Mittelstellung gesperrt und damit auch die Freigabe des Plusschlüssels der Weiche 14. Gleichzeitig damit ist auch die Einfahrt von Grünau (516) gesichert, das durch Schlüsselabhängigkeit zwischen den einzelnen Weichenschlössern auch die in diesem Gleis liegende Weiche 13 in der Plusstellung verschlossen ist.
Bei der Einrichtung des Notbetriebes sind die Fahrstraßensignalhebel 5131 oder 3102, nachdem ein Zug aus Richtung Grünau in den Bf Twg eingefahren ist, in die Grundstellung zu bringen (halbselbsttätige Signale). Dadurch wird der Weichenhebel 13/14 frei und kann in die Mittelstellung gebracht werden.
Bei der Ausfahrt, also Kehren dieses Zuges in Richtung Grünau muss der Zug über die neue Weichenverbindung in das richtige Gleis gebracht werden, wobei die Handweichen umgestellt werden müssen.
Der durch die Mittelstellung des Weichenhebels 13/14 im Steigerschen Schloß freigewordene Plusschlüssel der Weiche 14 wird herausgenommen und in das zugehörige Schloß an der Weiche gesteckt. Nach dem Aufschließen der Plusstellung wird die verschlossene Zunge frei und die Weiche 14 kann umgestellt werden. Durch die erfolgte Umstellung der Weiche wird der Plussschlüssel im Weichenhandschloss festgelegt. Nunmehr kann die Weiche 14 durch ein zweites Schloss, das die andere Zunge festlegt, in der Minusstellung verschlossen werden. Nach dem Verschließen wird der Minusschlüssel frei und kann herausgenommen werden. Dieser Schlüssel passt in das Plusschloss der Weiche 13. Nun wird die Weiche 13 aufgeschlossen, umgestellt, und in der Minusstellung verschlossen. Der freiwerdende Minusschlüssel passt zum Steigerschen Schloss und wird dort hineingesteckt, worauf der Weichenhebel 13/14 nach links umgelegt wird. Damit wird dieser letzte Schlüssel im Hebelwerksschloss festgelegt und damit gleichzeitig die ganze Weichenstraße.
Während dieses ganzen Vorganges, vom Umlegen des Weichenhebels 13/14 bis zum Umlegen des Hebels in die linke Stellung, ist über einem Achskontakt des Weichenhebels ein Wecker angeschaltet, der noch als zusätzliche Überwachung dienen soll. Ist der Hebel nach links umgelegt, wird der Wecker abgeschaltet….
Der Zug kann nun auf Befehl bis Signal 515 ausfahren und von da ab wieder signalmäßig weiterfahren. Für das Einfahren eines neuen Zuges aus Richtung Grünau muss wieder die Grundstellung für den Regelbetrieb eingerichtet werden…“[4]
Laut [5] wurden die Spreebrücken im Krieg durch Sprengung stark beschädigt. Das lässt die Vermutung zu, dass es sich um eine absichtliche Sprengung durch Deutsche Verbände handelte und nicht eine durch Luftangriffe herbeigeführte. Es ist also möglich, dass bis 1948 die Notkehre benutzt worden ist.
Bis zum Mauerbau am 13. August 1961 gab es keine Veränderungen bei den beiden Stellwerken. Die Betriebsdurchführung erfolgte wie vor 1945. Die Zuggruppe N (Spindlersfeld-Nordring-Spandau West) nutzte die Möglichkeit des Übergangs von der Görlitzer Bahn auf den Ring sowie einige Ringeinsetzer, die in Schöneweide in der Betriebsruhe abgestellt waren.
5. Vom Mauerbau 1961 bis zum ESTW 2012
Mit der Abgrenzung der DDR durch den Bau der Berliner Mauer am 13. August 1961 änderte sich die Betriebsdurchführung im Stellwerksbezirk Tw grundlegend. Durch die mauerbedingte Unterbrechung der Ringbahn waren nur noch Fahrten nach und von Schöneweide möglich. Dafür war der entspannte Dienst in Tw vorbei. Weil die Züge abwechselnd vom Ring und der Stadtbahn nach Schönweide und umgekehrt verkehrten, war das bequeme Fahren auf Durchleitautomatik nicht mehr möglich. Das Weichentrapez 9 bis 12 war nicht mehr erforderlich. Nach dem Umbau verblieben vier Weichen bei Fahrdienstleiter Tw: Die Weiche 11 für die Ausfahrten aus den Gleisen 1 und 2 nach Schönweide und die Weiche 12 für die Einfahrten von Schöneweide nach den Gleisen 3 und 4. Bemerkenswert ist die Tatsache, dass die Weichen 13 und 14 der Notkehre elektrisch an das Hebelwerk angeschlossen wurden, aber keine Fahrten per gesicherter Fahrstraße auf Signal möglich waren. Auf der Fernbahn fielen sämtliche betriebliche Aufgaben weg. Nur der Fahrdienstleiter Tnt blieb bis 1988 Blockstelle für die Fernbahn.
Das Sicherungsanlage im Stellwerk Tw war bei der Inbetriebnahme ein Hebelwerk der Bauform S&H 1907. Wann das Hebelwerk gegen eines der Bauform VES 1912 ausgewechselt wurde, ist bisher nicht belegbar. Vermutlich geschah dies 1961 beim Umbau der Sicherungsanlagen durch die Grenzsicherung.
Die nächste umfangreiche Veränderung der Sicherungsanlagen erfolgte bei der anstehenden Elektrifizierung der Fernbahn und den Umbau der S-Bahnstrecke von Schöneweide bis Treptower Park auf den automatischen Streckenblock AB70s. Für die Umrüstung gab es neben den Grund des überalterten Sv-Signalsystems, für das die Ersatzteilbeschaffung immer schwieriger wurde, die Unverträglichkeit des Sv-Signalsystems mit der Fernbahnelektrifizierung. Der mit 50 Hertz arbeitende Gleisstrom der Sv-Blockautomatik ist nicht mit der 16 2/3 Hertz Frequenz des Fahrstroms der Fernbahn kompatibel. Für den Umbau der Sicherungsanlagen musste auch die Sicherungstechnik des Stellwerks Tnt angepasst werden.
Die Projektierungsunterlagen sagen mit Stand 5. Januar 1981 dazu folgendes aus:
„Sicherungsanlagen S-Bahn
Die für den Endzustand erforderlichen Sicherungsanlagen S-Bahn des Stellwerksbezirks Tnt werden in das Stellwerk Tw verlegt. Der Fahrdienstleiter Tw bedient alle Sicherungsanlagen S-Bahn des Bahnhofs.
Die außer Betrieb zu nehmenden Innenanlagen S-Bahn des Stw. Tnt verbleiben bis zur Beendigung des Bauvorhabens „Spreebrücke“.
Das achtteilige Hebelwerk des Stellwerks Tw wird nicht durch zusätzliche Stelleinheiten erweitert.
Die umfangreichen Erweiterungen und Veränderungen des Stw. Tw für die Anpassung an die Elektrifizierung und die Anpassung des automatischen Streckenblocks einschließlich der zusätzlichen Linksein- und Ausfahrten für die Einrichtung von Gleiswechselbetrieb erfordern die Ergänzung des achtteiligen elektromechanischen Hebelwerks durch ein Gleisbildstellwerksteil.
In Zusammenhang mit der Umrüstung der Weichen 1, 2, 3, 4, 11 und 12 auf Drehstromantriebe und Tastensteuerung erfolgt die Bildung von Zugfahrstraßen aus Kombinationen von elektromechanisch und elektrisch gesicherten Fahrstraßenanteilen. Diese Maßnahmen vermeiden eine Erweiterung des Hebelwerkes und verkürzen die Fahrstraßenbildungszeiten.“[6]
Am 30. Juli 1982 wird folgendes ausgeführt:
„Die Sicherungsanlagen werden zur Verringerung des Anpassungsaufwandes (Bahnhofsblockabhängigkeiten) im Fahrdienstleiterstellwerk Tw zentralisiert. Die Maßnahme erfordert bei Beibehaltung des vorhandenen achtteiligen elektromechanischen Hebelwerkes VES 1912 den Einbau von Zug- und Rangierfahrstraßen in WSSB-Bauform II-Technik einschließlich der Errichtung eines Funktionsgebäudes für Relaisanlagen und Stromversorgungsanlagen. Den betrieblichen Parametern des anzupassenden automatischen Streckenblockes AB 70 (S-Bahn) Tw – Sw entsprechend, ist der Einbau von Drehstromweichenantrieben und die Errichtung von Signal- und Programmselbststellbetrieb erforderlich.
Die S-Bahnsicherungsanlagen des Stw. Tnt werden ausschließlich des Hebelwerks ausgebaut. Das Hebelwerk verbleibt für Bauzustände des Bauvorhabens „Spreebrücke“.[7]
Die vorstehenden Aussagen begründen den Einbau eines Gleisbildstellwerks mit Erhalt des elektromechanischen Hebelwerks für die Weichen im Stellwerksbezirk Tnt. Leider geht aus den ausgewerteten Unterlagen nirgends hervor, warum die vier Weichen von Tnt nicht gleich in das Gleisbildstellwerk integriert wurden. Lag es an wirtschaftlichen Engpässen, die man nicht offen zugeben wollte? Wenn man den vorgenannten Text aufmerksam liest, war Tw nach dem Umbau ein elektromechanisches Stellwerk mit einem ergänzenden Gleisbildtisch und nicht umgekehrt! In der Stellwerksbeschreibung war die Sicherungsanlage auch derart beschrieben. Und das, obwohl das Gleisbildstellwerk die Hauptaufgaben bei der Betriebsdurchführung übernahm.
Der Umbau der Anlagen zog sich bis 1988 hin. Am 22. Juni 1988 wurde auf den Fernbahngleisen zwischen Ostkreuz und Treptower Park der Relaisblock RBII 60 in Betrieb genommen. Tw war ein selbsttätig arbeitende Blockstelle für die Fernbahn. Dazu erhielten die Fernnbahngleise Gleisstromkreise. Das als Blockstelle weiterhin in Betrieb befindliche Stellwerk Tnt ging damit außer Betrieb.[8] Wann genau das umgebaute Stellwerk Tw in Betrieb ging, ließ sich derzeitig nicht eruieren.
Erstmals waren Ausfahrten aus den Gleisen 3 und 4 nach Schöneweide möglich. Die Weichen 13/14 der ehemaligen Notkehre waren in die Stellwerkslogik integriert. Außerdem gestattete das Gleisbildstellwerk einen Programmbetrieb. Der Fahrdienstleiter konnte bis zu 3 Fahrten programmieren.
Mit der politischen Wende in der DDR 1989/90 änderte sich erst mal nichts für die Betriebsdurchführung. Der Bahnhof Treptower Park musste noch bis zum 3. Dezember 1997 auf seinen Wiederanschluss an den Südring warten. Seitdem hatte Tw wieder seine ursprüngliche Bedeutung für den S-Bahnbetrieb erlangt.
Rund 15 Jahre später kam das Aus für das Stellwerk Tw und die örtlichen Fahrdienstleiter: Seit dem 14. April 2012 steuert das Stellwerk Frankfurter Allee den Ostring einschließlich den Bahnhof Treptower Park.
6. Von der Görlitzer- zur Ringbahn: Die Abzweigstelle Vtw
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Inbetriebnahme: 6. November 1885 |
Nachbarbetriebsstellen: Vrf, Tw, Bk Es, Bsw |
Außerbetriebnahme: 30. November 2015 |
Architekt: unbekannt |
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Telegraphische Abkürzung: Vtw für Verbindung Treptow |
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Lage im Streckennetz: Kilometer 2,8 der Strecke Berlin—Görlitz | ||
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Bauform: mechanisch unbekannte Bauform |
Nach 1961 elektromechanisch VES 1912 |
Felderblock Fernbahn und Vorortbahn (S-Bahn). Ab 1939 Sv-Automatik |
Relaisblock RBII 60 ab 1980. |
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Stand 1937 5 Signale 2 Weichen |
Bis 1961 auf der Görlitzer Bahn Blockform Berliner Form zwischen Vrf und Bsw |
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Das Stellwerk Vtw hatte als Abzweigstelle an der Görlitzer Bahn die Aufgabe, Züge nach und vom Ring den Übergang von der/auf die Görlitzer Bahn zu ermöglichen. Das Stellwerk dürfte mit der Inbetriebnahme der auch äußeren Görlitzer Ringanschluss genannten Strecke am 1. Oktober 1885 in Betrieb gegangen sein. Der heute vorhandene Hochbau stammt der Bauweise nach eher aus den 1910er Jahren.
Neben der Funktion als Abzweigstelle war Vtw eine Blockstelle für den Vorortverkehr/spätere S-Bahn. Eine Besonderheit im Stellwerk Vtw war der Hebel nur für die Fahrsperre des Signals A. Weil das Signal A auf einen Ausleger aufgestellt war, war es nicht möglich, die neben dem Gleis befindliche Fahrsperre zusammen mit dem Hauptsignal zu stellen. Folglich gab es zwischen den Hebeln eine Folgeabhängigkeit. Erst musste der Fahrsperrenhebel in die Minusstellung umgelegt werden, dann wurde der Signalhebel A zum Umstellen frei. Zurück ging es genau umgekehrt. Mit der Umstellung auf die Sv-Signaltechnik 1939 verlor Vtw die Funktion einer Blockstelle. Am 30. April 1951 kam der Verlust des Fernverkehrs hinzu. Der Görlitzer Bahnhof schloss seine Pforten im Fernverkehr. Der Güterverkehr war davon nicht betroffen.
Mit den Sperrmaßnahmen am 13. August 1961 verlor Vtw seine Funktion als Abzweigstelle. Die Weiche nach Treptow wurde verschlossen. Der Fahrdienstleiter mutierte zum Blockwärter. Zwar bediente die DR einige Zeit später den in Berlin-Ost gelegenen Anschluss Kiefholzstraße wieder von Schöneweide aus als Sperrfahrten, weil die Bedienung von Treptow Gbf aus Gründen der Grenzsicherung nicht möglich war. Aber auch dieser Zustand bestand nur bis zum 30. Mai 1976. Mit dem Bau des Kreuzungsbauwerks in Treptow wurde das Gleis Vtw—Vrf außer Betrieb genommen.
Das Stellwerk Vtw erhielt 1980 ein elektromechanisches Hebelwerk der Bauform VES 1912 und ein Weichentrapez für den Gleiswechselbetrieb. Der Umbau zum elektromechanischen Stellwerk ging wohl einher mit der Erneuerung der Fernbahnbrücke über den S-Bahngleisen. Damit war Vtw im Regelbetrieb durchgeschaltet und konnte bei Bedarf besetzt werden. Vtw wurde als Abzweigstelle definiert, richtig wäre aber der Begriff der Überleitstelle gewesen. Den Unterschied definiert die DS 408 der Deutschen Bundesbahn, gültig ab 3. Juni 1984, im § 3 Abs. 6 wie folgt:
„Abzweigstellen sind Blockstellen der freien Strecke, wo Züge von einer Strecke auf eine andere Strecke übergehen können. Überleitstellen sind Blockstellen der freien Strecke, wo Züge auf ein anderes Gleis derselben Strecke übergehen können. Die Bestimmungen für Abzweigstellen gelten auch für Überleitstellen, sofern es nicht im Einzelfall anders bestimmt ist.“
Die Deutsche Reichsbahn kannte in ihren Regelwerken den Begriff der Überleitstelle nicht.
Vtw war 1992-93 für Bauarbeiten noch einmal örtlich besetzt. Nach der Umstellung der Fernbahnstrecke zwischen Treptower Park und Baumschulenweg am 30. November 2015 auf ESTW ging die Geschichte von Vtw endgültig zu Ende. Der Hochbau steht heute noch unbenutzt an der Karpfenteichstraße.
7. Und wie immer zum Ende: die Fotogalerie
8. Quellen und Links |
[1] Landesarchiv Berlin, A Rep. 080 Nr. 1024
[2] Landesarchiv Berlin, A Rep. 080 Nr. 917
[3] Landesarchiv Berlin, A Rep. 080 Nr. 6158
[4] Landesarchiv Berlin, A Rep. 080 Nr. 6158
[5] Bock, Peter, Zwischen Stralau und Rixdorf, 130 Jahre südöstliche Ringbahn, Verkehrsgeschichtliche Blätter 2/1998 Seite 41 [6] Landesarchiv Berlin, C Rep 309 Nr 911
[7] Landesarchiv Berlin, C Rep 309 Nr 911
[8] Verkehrsgeschichtliche Blätter 5/88, Seite 119, Kurzinformationen Nr. 3.15 Meldung AB70 auf Fernbahn trift nicht zu
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Letzte Bearbeitung: 2. Juni 2019 |